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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Zeitplan ausarbeiten«, sagte ich, während ich ihm die Kamera holte. »Aber Sie und Ginny sollen nicht in Dr. Mants Haus wohnen, in diesem Punkt müssen sie mir einfach vertrauen.«
    »Gab es da irgendwelche Schwierigkeiten?« Er zog eine weitere Aufnahme heraus und reichte sie mir.
    »Für Marino, Lucy und mich hat das neue Jahr mit aufgeschlitzten Reifen begonnen.«
    Er senkte die Kamera und sah mich erschrocken an. »Scheiße.
    Glauben Sie, es war Zufall?«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte ich.
    Ich nahm den Aufzug zum nächsten Stock, und als ich mein Büro aufschloß, traf mich der Anblick von Eddings' Weihnachtsgeschenk wie ein Schlag. Ich konnte die Paprika nicht auf dem kleinen Tisch stehen lassen, und so hob ich sie auf und wußte nicht, wohin ich sie stellen sollte. Eine Weile ging ich verwirrt und irritiert damit umher, bis ich sie schließlich wieder an ihren alten Platz stellte, weil ich sie nicht hinauswerfen konnte oder ein anderes Mitglied meiner Abteilung diesen Erinnerungen aussetzen wollte.
    Als ich in Roses Zimmer nebenan blickte, war ich nicht überrascht, daß sie nicht da war. Meine Sekretärin war schon in leicht vorgerücktem Alter und fuhr nicht einmal an sehr schönen Tagen gern in die Stadt. Als ich meinen Mantel aufgehängt hatte, sah ich mich sorgfältig um, zufrieden, daß alles in Ordnung schien, bis auf die Putzarbeiten, die nach Dienstschluß erledigt wurden. Aber von den Reinigungstechnikern, wie sie offiziell genannt wurden, wollte keiner in diesem Gebäude arbeiten. Nur wenige blieben lang, und niemand wollte nach unten gehen, ins Leichenschauhaus.
    Ich hatte mein Büro vom vorigen Chef geerbt, aber bis auf die Täfelung war nichts mehr so wie in jenen zigarrenrauchgeschwängerten Tagen, als forensische Pathologen wie Cagney mit Cops und Bestattungsunternehmern zusammensaßen, Bourbon tranken und die Leichen mit bloßen Händen anfaßten. Mein Vorgänger hatte sich nicht viel um Lichtquellen und DNS gekümmert.
    Ich erinnerte mich daran, wie ich zum erstenmal sein Reich betreten hatte, nach seinem Tod, als ich zu einem Vorstellungsgespräch hier war. Ich hatte mir die Macho-Memorabilien angesehen, die er stolz ausgestellt hatte, und als ich das Silikon-Brustimplantat einer Frau erblickte, die vergewaltigt und ermordet worden war, hatte ich großes Verlangen verspürt, in Miami zu bleiben.
    Ich glaubte nicht, daß der frühere Chief sein Büro jetzt mögen würde, denn Rauchen war verboten, und Mißachtung und Angebertum hatten leider draußen zu bleiben. Die Eichenmöbel waren nicht Staatseigentum, sondern gehörten mir, und ich hatte den Fliesenboden mit einem persischen Gebetsteppich bedeckt, der zwar maschinell hergestellt, aber farbenfroh war. Da waren Maispflanzen und ein Ficus, aber mit Kunst hatte ich nichts zu schaffen, denn ich wollte wie ein Psychiater nichts Provokantes an den Wänden, und offen gestanden brauchte ich soviel Platz wie möglich für Aktenschränke und Bücher. Was Trophäen anbelangte, so wäre Cagney nicht besonders beeindruckt gewesen von den Spielzeugautos, den Lastwagen- und Zugmodellen, die ich dazu benutzte, Ermittlern bei der Rekonstruktion von Unfällen zu helfen.
    Ich brauchte einige Minuten, um den Eingangskorb durchzusehen, der gefüllt war mit rotgeränderten Totenscheinen für die Fälle, die uns betrafen, und mit grüngeränderten für die anderen, die nicht in unseren Verantwortlichkeitsbereich fielen. Einige Berichte mußten abgezeichnet werden, und auf meinem Computerbildschirm war eine Meldung, ich solle meine Mailbox überprüfen. Das alles konnte warten, dachte ich, und ging wieder auf den Flur, um zu schauen, wer noch da war. Nur Cleta, entdeckte ich, als ich das Eingangsbüro erreichte, aber gerade sie mußte ich sprechen.
    »Dr. Scarpetta«, sagte sie verblüfft. »Ich wußte nicht, daß Sie hier sind.«
    »Ich dachte, es sei eine gute Idee, gerade jetzt nach Richmond zurückzukehren«, sagte ich und zog mir einen Stuhl an ihren Schreibtisch. »Dr. Fielding und ich werden den Bezirk Tidewater von hier aus betreuen.«
    Cleta stammte aus Florence, South Carolina, und trug ihr Make-up immer zu dick auf, und ihre Röcke waren zu kurz, weil sie glaubte, das Glück winke nur den Hübschen - zu denen sie nie gehören würde. Sie saß kerzengerade auf ihrem Stuhl und war vollkommen damit beschäftigt, abschreckende Fotos nach Fallnummern zu sortieren. Sie hatte ein Vergrößerungsglas in der Hand und eine Brille mit Bifokalgläsern

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