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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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flacher Zementblock mit winzigen, dunklen Fenstern, die mich an abstoßende, argwöhnische Augen erinnerten. Sie blickten auf Slums im Osten und das Bankenviertel im Westen, und darüber schwebten Highways und Bahngleise, die den Himmel durchschnitten.
    Marino steuerte den hinteren Parkplatz an, wo angesichts der Straßenverhältnisse schon eine beeindruckende Zahl von Autos stand. Ich stieg vor dem verschlossenen Tor aus, wo die Leichen eingeliefert wurden, und öffnete eine Seitentür. Ich folgte der Rampe für die Bahren und betrat das Leichenschauhaus. Am Ende des Flurs konnte ich die Geräusche arbeitender Menschen hören. Der Autopsieraum war hinter dem Kühlraum, und die Türen standen weit offen. Ich trat ein, als Fielding, mein Stellvertreter, gerade zahlreiche Schläuche und einen Katheter aus der Leiche einer jungen Frau auf den zweiten Tisch entfernte. »Sind Sie auf Schlittschuhen gekommen?« fragte er und schien gar nicht überrascht, mich zu sehen.
    »Fast. Ich muß wahrscheinlich heute den Kombi ausleihen. Im Augenblick habe ich kein Auto.«
    Er beugte sich dichter über seine Patientin, runzelte etwas die Stirn, als er die Klapperschlangen-Tätowierung studierte, die sich um die schlaffe linke Brust der Toten ringelte; das geöffnete Maul der Schlange schnappte nach ihrem Nippel. »Sagen sie mir bloß einmal, warum sich jemand so etwas machen läßt«, meinte Fielding.
    »Ich würde sagen, der Tätowierkünstler hat am meisten davon gehabt«, sagte ich. »Schauen Sie auf der Innenseite der Unterlippe nach. Sie hat dort wahrscheinlich auch eine Tätowierung.« Er zog ihr die Unterlippe herunter, und da stand in großen, krummen Buchstaben Fuck You.
    Fielding sah mich erstaunt an. »Woher haben Sie das gewußt?«
    »Die Tätowierungen sind Amateurarbeit, sie sieht wie eine Motorradbraut aus, und ich nehme an, daß ihr das Gefängnis nicht fremd war.«
    »In allen Punkten richtig.« Er schnappte sich ein sauberes Handtuch und wischte sich übers Gesicht.
    Mein athletischer Arbeitskollege sah immer so aus, als würde er seinen Kittel sprengen, und er schwitzte, während uns anderen nie ganz warm wurde. Aber er war ein kompetenter forensischer Pathologe. Er war angenehm und aufmerksam, und ich hielt ihn für loyal.
    »Wahrscheinlich eine Überdosis«, erklärte er, während er die Tätowierung auf eine Karteikarte skizzierte. »Ich schätze, ihr Silvester war ein bißchen zu ausgelassen.«
    »Jack«, sagte ich zu ihm, »wie oft hatten Sie mit der Polizei von Chesapeake zu tun?« Er zeichnete weiter. »Nicht allzu oft.«
    »In letzter Zeit nicht?« fragte ich.
    »Ich glaube, wirklich nicht. Warum?« Er blickte zu mir auf. »Ich hatte eine ziemlich seltsame Begegnung mit einem der Beamten dort.«
    »In Zusammenhang mit Eddings?« Er fing an, die Leiche abzuspritzen, und langes, dunkles Haar schlängelte sich über glänzenden Stahl. »Genau.«
    »Wissen Sie, das ist komisch, aber Eddings hat mich erst vor kurzem angerufen. Es muß einen Tag vor seinem Tod gewesen sein«, sagte Fielding, während er mit dem Schlauch hantierte. »Was hat er gewollt?« fragte ich.
    »Ich habe hier unten gerade einen Fall bearbeitet und deshalb gar nicht mit ihm gesprochen. Nun wünschte ich, ich hätte es getan.« Er stieg auf eine Trittleiter und machte Aufnahmen mit einer Polaroidkamera. »Sind Sie länger in der Stadt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Also, wenn Sie mich in Tidewater brauchen, ich helfe Ihnen gerne aus.« Das Blitzlicht erlosch, und er wartete auf das Foto. »Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen gesagt habe, aber Ginny ist wieder schwanger und würde womöglich gern ein bißchen aus dem Haus kommen. Und sie liebt das Meer. Sagen Sie mir den Namen des Detectives, der Ihnen Sorgen macht, und ich werde mich um ihn kümmern.«
    »Ich wünschte, das täte jemand«, sagte ich. Das Blitzlicht flammte wieder auf, und ich dachte an Mants Cottage und konnte mir nicht vorstellen, Fielding und seine Frau, dorthin oder auch nur in die Nähe zu versetzen. »Es spricht jedenfalls einiges dafür, daß Sie hier bleiben«, fügte er hinzu. »Und hoffentlich bleibt Dr. Mant nicht ewig in England.«
    »Danke«, sagte ich erleichtert zu ihm. »Vielleicht könnten Sie einfach ein paarmal in der Woche pendeln.«
    »Kein Problem. Könnten Sie mir die Nikon geben?«
    »Welche?«
    »Die N-50 mit der Spiegelreflexlinse. Ich glaube, sie ist in dem Schrank dort drüben.« Er deutete mit dem Finger in die Richtung.
    »Wir werden einen

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