Trübe Wasser sind kalt
Zeiten. Wir ignorierten sie, als wir zur offenen Fahrertür gingen und in meinen Mercedes S-320 hineinschauten. Ich betrachtete Armlehne, Aschenbecher, Armaturenbrett und die mit Leder überzogenen Sitze. Nichts erschien mir ungewöhnlich. Keine Spuren eines Kampfes, nur die Fußmatte auf der Beifahrerseite war dreckig. Mir fielen die schwachen Schuhabdrücke auf. »Ist er so aufgefunden worden?« fragte ich. »Was bedeutet die geöffnete Tür?«
»Die Tür haben wir aufgemacht. Sie war nicht versperrt.«
»Ist irgendwer rein?«
»Nein.«
»Das war vorher nicht da.« Ich deutete auf die Fußmatte. »Was?« fragte Marino.
»Siehst du die Schuhabdrücke und den Schmutz?« Ich sprach leise, damit die Reporter nichts hörten. »Es hätte niemand auf dem Beifahrersitz sein sollen. Nicht solange Danny fuhr, und auch nicht vorher bei der Reparatur in Virginia Beach.«
»Was ist mit Lucy?«
»Nein. Sie ist in letzter Zeit nicht mit mir gefahren. Mir fällt auch sonst niemand ein, seit er das letzte Mal gereinigt wurde.«
»Keine Sorge, wir werden alles absaugen.« Er blickte von mir weg und fügte zögernd hinzu: »Du weißt, daß wir ihn in Verwahrung nehmen müssen, Doc?«
»Ist mir klar«, sagte ich, und wir machten uns wieder auf den Weg zu der Straße beim Tunnel, wo wir geparkt hatten. »Ich frage mich, ob Danny sich in Richmond ausgekannt hat«, sagte Marino.
»Er ist schon in meinem Büro gewesen«, erwiderte ich, und mir wurde schwer ums Herz. »Als er eingestellt wurde, hat er bei uns sogar ein einwöchiges medizinisches Praktikum gemacht. Ich weiß nicht mehr, wo er untergebracht war, aber ich glaube, in dem Comfort Inn an der Broad Street.«
Wir gingen eine Weile schweigend weiter, dann fügte ich hinzu: »Er hat offenkundig die Gegend um mein Büro gekannt.«
»Ja, ja, und das schließt das hier mit ein, da dein Büro nur etwa fünfzehn Blocks entfernt ist.«
Mir fiel etwas ein. »Wir wissen nicht, ob er heute abend nicht einfach hierhergefahren ist, um vor der Heimfahrt mit dem Bus noch etwas zu essen. Woher wissen wir, daß er nicht etwas so Profanes getan hat?«
Bei unseren Autos standen ein paar Streifenwagen und ein Ermittlungsfahrzeug, aber die Reporter waren weg. Ich schloß die Tür des Kombis auf und stieg ein. Marino stand mit den Händen in den Taschen da, einen skeptischen Ausdruck im Gesicht, weil er mich so gut kannte.
»Du wirst ihn doch nicht diese Nacht noch untersuchen?« sagte er.
»Nein.« Das war nicht notwendig, und ich wollte mir das auch nicht antun.
»Und du willst auch nicht nach Hause. Das spür ich.«
»Es gibt einiges zu erledigen«, sagte ich. »Je länger wir warten, desto mehr haben wir zu verlieren.«
»Wo willst du es probieren?« fragte er, weil er wußte, wie es war, wenn ein Kollege ermordet wurde.
»Naja, gleich hier sind viele Lokale. Millie's, zum Beispiel.«
»Nee, zu teuer. Das gleiche gilt für Patrick Henry's und die meisten Schuppen im Slip and Shockoe Bottom. Denk dran, Danny hatte nicht viel Geld, es sei denn, er kriegte es von irgendwoher, wovon wir nichts wissen.«
»Nehmen wir an, er hat von nirgendwoher Geld erhalten«, sagte ich. »Nehmen wir an, er suchte eine Kneipe, die auf direktem Weg zu meinem Büro war, und ist auf der Broad Street geblieben.«
»Poe's, das ist nicht auf der Broad Street, aber sehr nahe am Libby Hill Park. Und natürlich ist da das Cafe«, sagte er. »Das meine ich auch.« Als wir das Poe's betraten, machte der Geschäftsführer gerade die Rechnung für den letzten Gast dieses Abends fertig. Wir warteten eine ganze Weile, wie uns schien, und erfuhren dann bloß, daß das Abendgeschäft flau gewesen und niemand, der Danny ähnlich sah, hereingekommen war. Auf dem Rückweg zu unseren Autos gingen wir in östlicher Richtung auf der Broad Street weiter zum Hill Café an der 28. Straße, und mein Puls beschleunigte sich, als ich erkannte, daß das Restaurant nur eine Straße entfernt war von der Stelle, wo mein Mercedes gefunden worden war.
Das Cafe, bekannt für seine Bloody Marys und sein Chili, befand sich an der Ecke und war seit Jahren ein bei Cops beliebter Treffpunkt. Ich war schon ein paarmal hier gewesen, meist mit Marino. Es war die typische Kneipe um die Ecke, und um diese Zeit waren die Tische noch gut besetzt, Rauch hing dick in der Luft, und im Fernsehen lief laut eine Sportsendung auf ESPN. Hinter der Bar trocknete Daigo Gläser ab, als sie Marino erblickte und ihm ein blitzendes Lächeln
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