Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
ist in meinen Augen das gleiche wie ein bißchen schwanger oder ein bißchen tot. Und wenn du so unbesorgt bist, wie kommt es dann, daß du deinen Benz verkauft hast?«
    »Deswegen habe ich ihn nicht verkauft.«
    »Ich will nicht verstrahlt werden, wenn es dir nichts ausmacht«, sagte er gereizt. »Du wirst nicht verstrahlt werden.«
    Aber er ereiferte sich weiter. »Ich kann's nicht glauben, daß du mich und mein Auto dem Uran aussetzt.«
    »Marino«, probierte ich es nochmal, »eine Menge meiner Patienten kommen mit sehr üblen Krankheiten wie Tuberkulose, Hepatitis, Meningitis oder Aids ins Leichenschauhaus. Und du warst bei den Autopsien zugegen und hattest bei mir nichts zu befürchten.«
    Er fuhr schnell, wechselte andauernd die Spuren auf der Interstate.
    »Ich hätte gedacht, du weißt mittlerweile, daß ich dich nie wissentlich in Gefahr bringen würde«, fügte ich hinzu. »Wissentlich sicher nicht. Aber vielleicht ist das etwas, worüber du nicht Bescheid weißt«, meinte er. »Wann hattest du das letztemal einen Fall von Radioaktivität?«
    »Zunächst einmal«, erklärte ich, »ist das kein Fall von Radioaktivität, nur einige mikroskopisch kleine Abfälle sind radioaktiv, die damit in Zusammenhang stehen. Und zweitens kenne ich mich mit Radioaktivität aus. Ich weiß Bescheid über Röntgenstrahlen, Kernspinresonanztomographie und Isotopen wie Kobalt, Jod und Technetium, die bei der Krebsbehandlung eingesetzt werden. Ärzte lernen auf vielen Gebieten etwas, einschließlich Strahlenkrankheiten. Würdest du bitte langsamer fahren und dich für eine Spur entscheiden?«
    Ich blickte ihn mit wachsender Besorgnis an, als er vom Gas ging. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und rollten an den Schläfen hinab, sein Gesicht war hochrot. Er hatte die Kiefer zusammengepreßt, hielt das Steuerrad fest umklammert und atmete schwer.
    »Fahr an die Seite«, verlangte ich. Er reagierte nicht.
    »Marino, fahr an die Seite. Sofort!« wiederholte ich in einem Ton, der keine Widerrede mehr zuließ.
    Der Randstreifen war in diesem Abschnitt der Interstate breit und geteert, und ohne ein Wort stieg ich aus und lief zur Fahrerseite. Ich bedeutete ihm mit dem Daumen, auszusteigen, was er auch tat. Seine Uniform war im Rücken durchgeschwitzt, und darunter zeichnete sich sein Unterhemd ab. »Ich glaube, ich kriege eine Grippe«, sagte er. Ich rückte Sitz und Spiegel zurecht.
    »Ich weiß nicht, was mit mir los ist.« Er wischte sich mit einem Taschentuch übers Gesicht.
    »Du hast einen Panikanfall«, sagte ich. »Atme tief durch und versuche, dich zu beruhigen. Beuge dich vor und berühre deine Zehen. Lockere und entspanne dich.«
    »Wenn jemand sieht, daß du meinen Dienstwagen fährst, bin ich dran«, sagte er, während er sich den Gurt über die Brust zog. »Gerade jetzt sollte die Stadt dankbar sein, daß du nicht fährst«, sagte ich. »Du solltest in diesem Augenblick keine Maschine bedienen. Eigentlich solltest du eher in der Praxis eines Psychiaters sitzen.« Ich sah zu ihm hinüber und spürte, wie sehr er sich schämte.
    »Ich weiß nicht, was los ist«, murmelte er, während er aus dem Fenster schaute.
    »Bist du immer noch wütend wegen Doris?«
    »Ich weiß nicht, ob ich dir je von einer der letzten großen Auseinandersetzungen erzählt habe, die wir vor ihrem Auszug hatten.« Er wischte sich wieder das Gesicht ab. »Es ging um dieses verdammte Geschirr, das sie auf einem Flohmarkt gekauft hat. Ich meine, sie wollte schon lange neue Teller kaufen, weißt du? Da komme ich von der Arbeit heim, und da ist dieses Service mit glänzend orangefarbenen Tellern auf dem Eßzimmertisch.« Er sah mich an. »Hast du schon mal was von Fiesta Ware gehört?«
    »Ich erinnere mich vage.«
    »Na ja, da war etwas in der Glasur dieser besonderen Linie, bei dem der Geigerzähler ausgeschlagen hat, wie ich herausgefunden habe.«
    »Es braucht nicht viel Radioaktivität, um einen Geigerzähler ausschlagen zu lassen.« Ich betonte das abermals.
    »Also da sind Artikel über das Zeug erschienen, und es ist vom Markt genommen worden«, fuhr er fort. »Doris wollte nicht auf mich hören. Sie meinte, es sei eine Überreaktion.«
    »War es wahrscheinlich auch.«
    »Schau mal, Leute haben eine Phobie gegen alles mögliche. Bei mir ist es Strahlung. Du weißt, wie ich es hasse, mit dir im Röntgenraum zu sein, und wenn ich die Mikrowelle einschalte, verlasse ich die Küche. Also hab ich das Geschirr zusammengepackt und weggeworfen, ohne

Weitere Kostenlose Bücher