Trübe Wasser sind kalt
Sie haben gemeint, es müsse sofort sein. Fragen Sie mich nicht, warum.« Sie war überhaupt nicht glücklich darüber, denn das war eine ungewöhnliche Reaktion auf ein im allgemeinen als nicht besonders schwer betrachtetes Verbrechen. Ich verstand nicht, warum es heute von solcher Dringlichkeit war, da die Labors vollkommen überlastet waren, aber deswegen war ich nicht hier. »Ich bin gekommen, um mit Ihnen über das Uran zu reden«, sagte ich.
»Das ist das erstemal, daß ich so etwas entdeckt habe.« Sie öffnete einen Plastikumschlag. »Und ich bin schon zweiundzwanzig Jahre dabei.«
»Wir müssen herauskriegen, mit welchem Uran-Isotop wir es zu tun haben«, sagte ich.
»Das meine ich auch, aber da so etwas noch nicht vorgekommen ist, weiß ich nicht genau, wo ich das machen soll. Jedenfalls geht es hier nicht.«
Mit doppelt haftendem Klebeband befestigte sie etwas, das nach Schmutzresten aussah, an einem kurzen Stummel, der in einem Reagenzglas abgelagert werden würde. Sie erhielt jeden Tag solche abgesaugten Partikel und vertat sich nie. »Wo ist die radioaktive Probe jetzt?« fragte ich. »Genau dort, wo ich sie gelassen habe. Ich habe diese Kammer nicht wieder aufgemach t und glaube auch nicht, daß ich das will.«
»Dürfte ich sehen, was wir darüber haben?«
»Klar.«
Sie ging zu einem weiteren Digitalmikroskop und schaltete den Monitor an, auf dem ein schwarzes Universum erschien, gesprenkelt von Sternen unterschiedlicher Größe und Form. Einige waren sehr hell, andere dagegen trüb, doch alle waren kaum sichtbar für das ungeübte Auge.
»Ich zoome das auf dreitausend hoch«, sagte sie, während sie an Knöpfen drehte. »Möchten Sie es noch höher?«
»Ich glaube, das wird reichen«, erwiderte ich. Es war wie in einem Observatorium. Metallkörper sahen wie von kleineren Monden und Sternen umgebene Planeten aus. »Das ist aus Ihrem Wagen gekommen«, ließ sie mich wissen. »Die hellen Partikel sind Uran. Die trüberen sind Eisenoxid, wie es im Boden gefunden wird. Dann ist noch Aluminium dabei, das heutzutage fast überall verwendet wird. Und Silicium oder Sand.«
»Ziemlich typisch für das, was jemand an seinen Schuhsohlen haben könnte«, sagte ich. »Bis auf das Uran.«
»Da ist noch etwas, auf das ich Sie aufmerksam machen möchte«, fuhr sie fort. »Das Uran hat zwei Formen. Die keuligen oder runden, die aus einem Prozeß stammen, bei dem das Uran geschmolzen wurde. Aber hier« -sie zeigte darauf »haben wir unregelmäßige Formen mit scharfen Kanten, was bedeutet, daß das Uran in einem maschinellen Prozeß bearbeitet worden ist.«
»CP&L benutzen doch Uran für ihre Atomkraftwerke.« Commonwealth Power & Light versorgten ganz Virginia und einige Gegenden von North Carolina mit Strom. »Ja.«
»Noch ein Betrieb hier in der Gegend, der dafür in Frage käme?« erkundigte ich mich.
Sie dachte kurz nach. »Hier gibt es keine Minen oder Anreicherungsanlagen. Nun, die UVA hat einen Reaktor, aber ich glaube, nur für den Lehrbetrieb.«
Ich starrte weiter auf das Gestöber radioaktiven Materials, das die Person, die Danny umgebracht hatte, in meinem Auto hinterlassen hatte. Ich dachte an die Black-Talon-Kugel mit ihren wüsten Krallen und an den sonderbaren Anruf, den ich in Sandbridge erhalten hatte, und dann war jemand über die Mauer geklettert. Ich glaubte, Eddings war irgendwie der gemeinsame Nenner, wegen seines Interesses an den Neuen Zionisten. »Wissen Sie«, sagte ich zu Eckles, »wenn mal ein Geigerzähler ausschlägt, heißt das noch nicht, daß die Radioaktivität gefährlich ist. Und Uran ist eigentlich nicht gefährlich.«
»Das Problem ist, daß wir dafür keinen Präzedenzfall haben«, sagte sie. Ich erklärte geduldig: »Es ist sehr einfach. Diese Substanz ist Beweismaterial in einem Mordfall. Ich bin die Gerichtspathologin in diesem Fall, für den Captain Marino zuständig ist. Sie müssen diese Proben bloß Marino und mir überlassen. Wir fahren damit zur UVA und lassen den Kernphysiker dort das Isotop bestimmen.«
Freilich ließ sich das nicht ohne eine Telefonkonferenz bewerkstelligen, woran der Direktor der gerichtsmedizinischen Forschungsabteilung sowie der Leiter der Gesundheitsbehörde teilnahmen, der mein direkter Vorgesetzter war. Sie machten sich Sorgen wegen eines möglichen Interessenkonflikts, weil das Uran in meinem Auto gefunden worden war, und natürlich hatte Danny für mich gearbeitet. Als ich darauf hinwies, daß ich in dem Fall keine
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