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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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abschalten könnten, weil ich es leid war, das Polizeigeschwätz zu hören, und fuhr auf die 29 North zur University of Virginia.
    Eine Zeitlang bestand die Landschaft aus nackten Felsblöcken, dazwischen waren Waldstreifen, die bis an den Straßenrand reichten. Dann kamen wir an die äußere Grenze des Campus und vorbei an ganzen Blocks mit Pizzabuden, Lebensmittelläden und Tankstellen. Die Universität hatte immer noch Weihnachtsferien, aber meine Nichte war nicht der einzige Mensch auf der Welt, der dies ignorierte. Beim Scott Stadion bog ich in die Maury Avenue, wo Studenten auf Bänken hockten oder Rad fuhren; sie trugen Rucksäcke oder Mappen, die voller Arbeit zu stecken schienen. Es waren jede Menge Autos da. »Warst du schon mal bei einem Spiel hier?« Marino hatte sich wieder gefangen. »Ich müßte lügen.«
    »Also das sollte bestraft werden. Du hast eine Nichte hier, und du hast noch nie die Hoos gesehen? Was macht ihr, wenn du in die Stadt kommst? Ich meine, was habt ihr beide gemacht?« Tatsächlich hatten wir sehr wenig unternommen. Wir verbrachten im allgemeinen unsere Zeit mit langen Spaziergängen auf dem Campus oder mit Gesprächen auf ihrem Zimmer am Lawn. Natürlich hatten wir oft in Restaurants wie The Ivy oder Boar's Head gegessen, und ich hatte ihre Professoren kennengelernt und sogar Vorlesungen besucht. Aber ich hatte nie Freunde von ihr getroffen, und sie hatte ohnehin nur wenige. Und diese, wie auch die Orte, an denen sie sich mit ihnen traf, waren etwas, das sie nicht mit mir teilen wollte. Ich merkte, daß Marino immer noch redete. »Ich werde das nie vergessen, als ich ihn spielen sah«, sagte er gerade.
    »Entschuldige«, sagte ich.
    »Kannst du dir vorstellen, zwei Meter dreißig groß zu sein? Weißt du, jetzt wohnt er in Richmond.«
    »Schauen wir mal.« Ich musterte die Gebäude, an denen wir vorbeifuhren. »Wir suchen die School of Engineering, die genau hier anfängt. Aber wir brauchen Mechanical, Aerospace and Nuclear Engineering.«
    Ich fuhr langsamer, als ein Backsteingebäude mit weißen Simsen in Sicht kam, und dann sah ich das Schild. Parkplätze waren nicht schwer zu finden; um so schwerer war es, Dr.
    Alfred Matthews zu finden. Er hatte versprochen, mich um halb zwölf in seinem Büro zu empfangen, hatte es aber offensichtlich vergessen.
    »Wo zum Teufel ist er dann?« sagte Marino, der immer noch wegen des Umschlags in seinem Kofferraum besorgt war. »Auf dem Reaktorgelände.« Ich stieg wieder ins Auto. »Na toll.«
    Es hieß in Wahrheit das High Energy Physics Lab und befand sich auf einem Hügel, wo auch ein Observatorium war. Der Kernreaktor der Universität war ein großes Backsteinsilo, von Wald umgeben, mit einem Zaun drumherum, und Marino reagierte wieder phobisch.
    »Komm schon. Das wird dich interessieren.« Ich machte die Tür auf.
    »Ich habe überhaupt kein Interesse an alldem.«
    »Okay. Dann bleib du da, und ich gehe rein.«
    »Ich werde mich deswegen nicht mir dir streiten«, erwiderte er. Ich holte die Probe aus dem Kofferraum und klingelte am Haupteingang des Gebäudekomplexes. Jemand löste eine Sperre. Drinnen war eine kleine Lobby, wo ich einem jungen Mann in einer Glaskabine mitteilte, daß ich Dr. Matthews suchte. Eine Liste wurde geprüft, und ich erfuhr, daß der Leiter des Physikseminars, den ich nur entfernt kannte, gerade am Kühlwasserbecken des Reaktors sei. Der junge Mann griff zu einem Haustelefon, während er mir einen Besucherpaß und einen Strahlendetektor hinschob. Ich heftete sie an meine Jacke, und er verließ seinen Posten, um mich durch eine schwere Stahltür zu geleiten. Das rote Licht zeigte an, daß der Reaktor in Betrieb war.
    Der Raum mit den hohen Kachelwänden hatte keine Fenster, und jedes Objekt, das ich sah, war mit einem leuchtend gelben Radioaktivitätsaufkleber versehen. An dem einen Ende des beleuchteten Beckens verursachte die Tscherenkow-Strahlung im Wasser ein fantastisches blaues Leuchten, als instabile Atome sich in den Brennstäben acht Meter weiter unten spontan abspalteten. Dr. Matthews unterhielt sich gerade mit einem Studenten, der, wie ich aus ihrem Gespräch heraushörte, Kobalt statt eines Autoklaven zur Sterilisierung von Mikropipetten nahm, die zur Invitro-Fertilisiation benutzt wurden. »Ich dachte, Sie kämen erst morgen«, sagte der Kernphysiker mit gequälter Miene zu mir.
    »Nein, unser Termin war heute. Aber danke, daß Sie mich überhaupt empfangen. Ich habe die Probe dabei.« Ich hielt den

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