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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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anzurufen, und ohnehin würde er vor morgen früh keine vier neuen Reifen besorgen können. Sie saß fest, hatte eine Stinkwut, und ihr wurde von Minute zu Minute kälter.
    Sie drehte sich zu Groome um. »Könnten Sie mich nach Hause fahren?«
    Es war ein Pakt mit dem Teufel, und sie wußte es. Ein Journalist muß Fragen stellen; und sie waren kaum zehn Sekunden unterwegs, als er schon genau die stellte, die sie erwartet hatte: »Was ist denn nun vor zweiundfünfzig Jahren in dieser Stadt geschehen?«
    Sie blickte weg. »Dazu bin ich wirklich nicht in der Stimmung.«
    »Das kann ich mir vorstellen, aber es kommt ja doch irgendwann ans Licht. Damaris Horne wird es herausbekommen, mit welchen Mitteln auch immer.«
    »Diese Frau hat keinerlei moralisches Empfinden.«
    »Aber sie hat Zugang zu internen Informationen.« Claire sah ihn an. »Sprechen Sie vielleicht von der Polizei?«
    »Sie wissen schon Bescheid?«
    »Den Namen des Polizisten kenne ich nicht. Wer ist es?«
    »Sagen Sie mir, was 1946 passiert ist.«
    Sie blickte wieder geradeaus. »Es ist alles in den örtlichen Zeitungsarchiven. Sie können selbst nachsehen.«
    Er fuhr eine Weile schweigend vor sich hin. »Es ist nicht das erste Mal, daß so etwas hier geschieht, nicht wahr?« sagte er. »Ich meine die Morde.«
    »Richtig.«
    »Und Sie glauben, es gibt einen biologischen Grund dafür?«
    »Es hat etwas mit dem See zu tun. Irgendein natürliches Phänomen. Bakterien – oder auch Algen.«
    »Was ist mit meiner Theorie? Daß das hier ein zweites Flanders ist?«
    »Wir haben es nicht mit Drogenmißbrauch zu tun, Mitchell. Ich dachte, wir wären auf eine Substanz im Blut der beiden Jungen gestoßen – irgendein anaboles Steroid. Aber die endgültigen Toxin-Screens waren bei beiden negativ. Und Taylor bestreitet jeglichen Drogenmißbrauch.«
    »Kinder können lügen.«
    »Bluttests nicht.«
    Sie hielten in Claires Auffahrt, und er drehte sich zu ihr um. »Sie haben sich da ganz schön auf was eingelassen, Dr.Elliot. Vielleicht ist Ihnen entgangen, wie tief der Unmut bei den Leuten dort im Saal war, aber ich habe es deutlich gespürt.«
    »Ich habe es nicht nur gespürt, ich habe auch vier zerstochene Reifen als Beweis.« Sie stieg aus. »Danke fürs Mitnehmen. Jetzt schulden Sie mir etwas.«
    »Tatsächlich?«
    »Den Namen des Cops, der mit Damaris Horne gesprochen hat.«
    Er zuckte bedauernd mit den Schultern. »Seinen Namen kenne ich nicht. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, daß ich die zwei in, sagen wir mal, engem Kontakt miteinander beobachtet habe. Dunkles Haar, mittelgroß. Macht die Nachtschicht.«
    Sie nickte grimmig. »Ich werde schon dahinterkommen.«
    Lincoln stieg die Stufen zu dem ansehnlichen viktorianischen Haus empor. Jeder Schritt brachte ihn der völligen Erschöpfung näher. Es war lange nach Mitternacht. Er hatte die letzten paar Stunden bei einer außerordentlichen Sitzung des Stadtrats in Glen Ryders Haus verbracht, wo man ihm unmißverständlich mitgeteilt hatte, daß sein Job in Gefahr war. Der Rat hatte ihn eingestellt, und er konnte ihn auch feuern. Er war ein Angestellter der Stadt Tranquility und somit für ihr Wohlergehen verantwortlich. Wie konnte er da Dr. Elliots Vorschlag unterstützen, den See für die Öffentlichkeit zu sperren?
    Ich habe nur meine ehrliche Meinung zum Ausdruck gebracht, hatte er ihnen gesagt.
    Aber in diesem Fall war Ehrlichkeit eindeutig nicht die beste Strategie.
    Anschließend hatte der Stadtkämmerer eine ermüdende Litanei von Finanzstatistiken vorgetragen: Wieviel Geld jeden Sommer durch die Touristen hereinkam; wie viele Jobs dadurch geschaffen wurden; wie viele ortsansässige Unternehmen nur von Dienstleistungen für den Tourismus lebten.
    Wo Lincolns Gehalt herkam.
    Die Stadt war auf Gedeih und Verderb auf den See angewiesen, und es würde keine Aufrufe geben, ihn zu sperren, keine Gesundheitswarnungen und nicht den Hauch einer öffentlichen Debatte darüber.
    Er hatte die Versammlung verlassen, ohne genau zu wissen, ob er seine Stelle noch hatte – ohne genau zu wissen, ob er sie überhaupt noch wollte. Er war in seinen Streifenwagen gestiegen und war schon auf halbem Weg nach Hause gewesen, als er die Nachricht von der Zentrale erhalten hatte, daß ihn heute nacht noch jemand sprechen wollte.
    Er klingelte. Während er darauf wartete, daß die Tür sich öffnete, warf er einen Blick die Straße hinunter und stellte fest, daß alle Häuser dunkel waren, alle Vorhänge geschlossen in dieser

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