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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Prozentzahl von Eosinophilen. Zu dem Zeitpunkt glaubte ich, der Grund sei Asthma oder eine Allergie. Jetzt wird mir klar, daß die Ursache woanders liegt.«
    »Eine Parasiteninfektion«, sagte Rothstein. »Die hebt allerdings den Eosinophilwert.«
    »Genau. Und Warren Emerson könnte die Infektionsquelle sein. Wenn er einen drei Meter langen Bandwurm in seinen Gedärmen mit sich herumträgt, dann scheidet er schon seit Jahren Parasiteneier aus. Durch ein Leck in seinem Klärbehälter würden der Boden und das Grundwasser verseucht. Wenn die Eier dann in den See
    gelangen, ist ihnen jeder, der dort badet, ausgesetzt. Jeder, der zufällig etwas von dem Wasser schluckt.«
    »Das sind eine Menge ›Wenns‹«, meinte Clevenger. »Sie bauen da ein Kartenhaus auf.«
    »Selbst der Zeitrahmen ergibt einen Sinn! Diese Kinder würden sich im Sommer beim Schwimmen im See angesteckt haben. Sie sagten, die Eier brauchen mehrere Monate, bis sie sich in Larven verwandeln. Jetzt haben wir Herbst, und die ersten Symptome zeigen sich. Ein November-Syndrom.« Sie brach ab und runzelte plötzlich die Stirn. »Das einzige, was ich mir nicht erklären kann, sind ihre negativen CT-Ergebnisse.«
    »Vielleicht war die Infektion noch in einem zu frühen Stadium«, sagte Clevenger. »Wenn die akuten Symptome auftreten, sind die Larven womöglich noch zu klein, als daß man sie entdecken könnte. Und es würde noch nicht zu einer Zystenbildung gekommen sein.«
    »Nun, es gibt eine einfache Methode, den Parasitenbefall festzustellen«, sagte Rothstein. »Den ELISA-Test.«
    Claire nickte. »Wenn bei irgend jemandem Antikörper gegen Taeenia solium festgestellt werden, dann ist diese Theorie mehr als ein Kartenhaus.«
    »Wir können damit beginnen, daß wir Warren Emerson testen«, schlug Rothstein vor. »Und diesen Jungen im Youth Center. Wenn sie beide negativ sind, ist Ihre Theorie Makulatur. Sollten sie aber positiv sein ...«
    Clevenger, ganz Wissenschaftler, rieb sich die Hände bei dem Gedanken an diese Möglichkeit. »Dann packen wir aber die Spritzen und die Tourniquets aus, Leute«, sagte er. »Denn es gibt eine ganze Menge Arme anzupieksen.«

20
    J.D. verhöhnte sie durch die geschlossene Tür ihres Schlafzimmers, nannte sie eine Schlampe, ein billiges Flittchen, eine Hure. Amelia saß auf dem Bett und hielt sich die Ohren zu, versuchte, die Stimme ihres Stiefbruders auszusperren. Sie wußte, daß sie alles nur noch schlimmer machen würde, wenn sie ihn ebenfalls anschrie. J. D. war in letzter Zeit auf alle Welt böse; er suchte Streit mit jedem, der ihm über den Weg lief.
    Gestern, an dem Tag, als er von der Schule nach Hause geschickt worden war, hatte sie den Fehler gemacht, ihn einen Bastard zu nennen. Er hatte ihr eine solche Ohrfeige versetzt, daß ihr noch Stunden später die Ohren geklungen hatten. Sie war heulend zu ihrer Mutter gerannt, aber von Grace hatte sie natürlich keine Rückendeckung bekommen. »Du weißt doch, wie er ist«, hatte sie mit ihrer klagenden Ich-habe-meine-eigenen-Sorgen-Stimme gesagt. »Geh ihm einfach aus dem Weg.«
    Den ganzen Tag hatte Amelia versucht, diesem Ratschlag zu folgen, indem sie sich in ihrem Zimmer einschloß und versuchte, sich auf ihre Hausaufgaben zu konzentrieren. Aber es war einfach nicht möglich, bei diesem Lärm zu denken. Früher am Tag hatte sie schon gehört, wie J. D. unten getobt, wie er Eddie herumgeschubst und Mom angeschrien hatte; sogar Jack hatte er angeschrien. Vielleicht würden sich Jack und J.D. irgendwann gegenseitig umbringen. Wie der Vater, so der Sohn. Sie würde keinem der beiden eine Träne nachweinen.
    Aber jetzt stand J. D. draußen auf dem Flur und beleidigte sie durch die Tür hindurch. »Du magst wohl winzige Würstchen? Treibst du es deshalb mit diesem Loser Noah Elliot? Ich zeig dir einen richtig großen Schwanz. Ich zeig dir, wie man’s macht! Oder ist dir Noahs winziges Würstchen lieber? Kleines Würstchen!« – und so weiter, bis es selbst Jack zuviel wurde und er von unten rief: »Halt die Klappe, J. D.! Ich versuche Fernsehen zu gucken!«
    Und da stürmte J. D. die Treppe hinunter und fing einen Streit mit Jack an. Amelia konnte sie im Wohnzimmer hören; ihre Stimmen wurden immer lauter, bis sie sich schließlich gegenseitig anbrüllten. Eine große, glückliche Familie. Jetzt wurden Gegenstände auf den Boden geworfen. Sie hörte Stühle krachen, Glas klirren. Mein Gott, was denn noch alles? Ihre Mutter hatte sich in das Chaos eingeschaltet

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