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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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habe ihn als einen Liebhaber in mein Haus gelassen, und er hat sich gegen mich gewandt.
    Sie sagte: »Ich will, daß du gehst.«
    »Claire, bitte –«
    » Verlaß sofort mein Haus! « Langsam stand Lincoln auf. Seine Miene drückte keinen Zorn aus, nur tiefe Traurigkeit. »Sie werden kommen, um ihn zu befragen«, sagte er. »Ich schlage vor, daß du dich schnell mit einem Anwalt in Verbindung setzt. Ich weiß nicht, wie die Chancen stehen, am Sonntagmorgen einen zu bekommen ...«
    Er blickte auf den Tisch hinab, dann hob er den Blick und sah sie erneut an. »Es tut mir leid. Wenn ich irgend etwas ändern könnte – wenn ich alles irgendwie gutmachen könnte ...«
    »Ich muß an meinen Sohn denken«, sagte sie. »Er hat jetzt meine einzige Sorge zu sein.«
    Lincoln wandte sich zu Noah. »Wenn du irgend etwas Falsches getan hast, wird es herauskommen. Und du wirst bestraft werden. Ich werde kein Mitleid mit dir haben, kein bißchen. Es tut mir nur leid, daß es deiner Mutter das Herz brechen wird.«
    Die beiden Männer machten keine Anstalten, das Grundstück zu verlassen. Vom Wohnzimmerfenster aus sah Claire Lincoln und Floyd am Ende der Auffahrt stehen. Sie werden uns nicht ohne Bewachung zurücklassen, dachte sie. Sie befürchten, daß Noah sich aus dem Staub machen wird.
    Lincoln drehte sich um und blickte zum Haus herüber.
    Claire trat vom Fenster zurück; sie wollte nicht, daß er sie sah, wollte auch nicht den geringsten Blickkontakt zulassen. Zwischen ihnen konnte es jetzt nichts mehr geben. Doreens Tod hatte alles verändert.
    Sie ging in die Küche zurück, wo Noah saß, und ließ sich auf den Stuhl gegenüber von ihm sinken. »Erzähl mir, was passiert ist, Noah. Sag mir alles.«
    »Ich hab’s dir schon gesagt.«
    »Du hast letzte Nacht den Transporter genommen. Warum?«
    Er zuckte mit den Achseln.
    »Hast du das schon einmal getan?«
    »Nein.«
    »Die Wahrheit, Noah.«
    Er warf den Kopf zurück und sah sie mit finsterer Miene an. »Du nennst mich einen Lügner. Genau wie er.«
    »Ich versuche nur, eine klare Antwort aus dir herauszubekommen.«
    »Ich habe dir eine klare Antwort gegeben, und du glaubst mir nicht! Also gut, glaub doch, was du willst. Ich hole mir jede Nacht den Transporter und fahre damit in der Gegend rum. Ich habe schon Tausende von Meilen zusammengefahren – hast du das nicht gemerkt? Aber wie solltest du auch, du bist ja sowieso nie zu Hause. Du bist ja nie für mich da!«
    Claire war schockiert von dem Zorn in seiner Stimme. Ist das wirklich das Bild, das er von mir hat, fragte sie sich. Die Rabenmutter, die nie für ihr einziges Kind da ist? Sie schluckte die Kränkung hinunter und zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf die Ereignisse der letzten Nacht zu konzentrieren.
    »Also schön. Ich glaube dir, daß es das erste Mal war, daß du den Transporter genommen hast. Aber du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du es getan hast.«
    Noah senkte den Blick – ein deutliches Zeichen, daß er auswich. »Ich hatte einfach Lust dazu.«
    »Du bist zur Anlegestelle gefahren und hast da geparkt?«
    »Ja.«
    »Hast du Doreen Kelly gesehen?«
    »Ich weiß noch nicht mal, wie sie aussieht!«
    »Hast du irgend jemanden gesehen?«
    Eine Pause. »Ich habe keine Lady namens Doreen gesehen. Doofer Name.«
    »Sie war nicht nur ein Name. Sie war ein Mensch, und sie ist tot. Wenn du irgend etwas weißt –«
    »Tu ich nicht.«
    »Lincoln scheint zu glauben, daß du doch etwas weißt.«
    Wieder traf sie dieser wütende Blick. »Und du glaubst ihm, was?« Er stieß den Stuhl zurück und stand auf.
    »Setz dich.«
    »Du willst mich ja gar nicht hierhaben. Dir ist Mr. Cop lieber.« Sie sah die Tränen in seinen Augen aufblitzen, als er sich zur Küchentür umdrehte.
    »Wo gehst du hin?«
    »Was spielt das für eine Rolle?« Er ging hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Sie lief nach draußen und sah, daß er schon in Richtung Wald davonstapfte. Er trug keine Jacke, nur diese zerrissenen Jeans und ein Baumwollhemd mit langen Ärmeln, aber die Kälte schien ihm nichts auszumachen. Sein Zorn und seine Verletztheit trieben ihn voran, hinaus in den Schnee.
    »Noah!« rief sie.
    Jetzt hatte er das Seeufer erreicht und wandte sich nach links; der Biegung des Ufers folgend, ging er auf das bewaldete Nachbargrundstück zu.
    »Noah!« Sie begann ihm durch den tiefen Schnee zu folgen. Er hatte schon einen großen Vorsprung, und mit jedem zornigen Schritt vergrößerte er den Abstand zu ihr. Er kommt nicht

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