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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wurde.«
    Sie zuckte zurück, als habe jemand ihr einen Stoß versetzt. Eine Leiche. Jemand ist getötet worden.
    »Wo bist du letzte Nacht mit dem Transporter hingefahren, Noah?« fragte Lincoln.
    Entsetzen malte sich plötzlich auf Noahs Gesicht. »Zum See«, sagte er so leise, daß man ihn kaum verstehen konnte.
    »Wohin noch?«
    »Nur zum See. Toddy Point Road. Ich habe eine Weile an der Anlegestelle geparkt. Dann hat es so stark zu schneien angefangen, und wir wollten nicht dort steckenbleiben, also bin ich – ich bin nach Hause gefahren. Ich war schon hier, als Mom zurückkam.«
    »Wir? Du hast gesagt, wir wollten nicht steckenbleiben.« Noah sah verwirrt aus. »Ich wollte sagen, ich.«
    »Wer war bei dir im Transporter?«
    »Niemand.«
    »Die Wahrheit, Noah. Wer war bei dir, als du Doreen überfahren hast?«
    »Wen?«
    »Doreen Kelly«
    Lincolns Frau? Claire stand so abrupt auf, daß ihr Stuhl nach hinten umkippte. »Aufhören! Schluß jetzt mit den Fragen!«
    »Man hat ihre Leiche heute morgen gefunden, Noah«, fuhr Lincoln fort, als habe Claire gar nichts gesagt, und seine ruhige, monotone Stimme konnte seinen Schmerz kaum verbergen. »Sie lag am Rand der Slocum Road. Nicht weit von der Stelle, wo der Zeuge dich in der Nacht gesehen hat. Du hättest anhalten können, um ihr zu helfen. Du hättest jemanden anrufen können, irgend jemanden. Sie hat es nicht verdient, so zu sterben, Noah. So ganz allein, in der Kälte.« Claire hörte mehr als Schmerz aus seiner Stimme heraus; sie hörte Schuldbewußtsein. Seine Ehe war vielleicht vorüber gewesen, aber Lincoln hatte immer noch das Gefühl gehabt, für Doreen verantwortlich zu sein. Mit ihrem Tod hatte er sich die neue Last des Selbstvorwurfs aufgebürdet..
    »Noah hätte sie nicht dort zurückgelassen«, sagte Claire. »Das weiß ich genau.«
    »Du glaubst vielleicht, ihn zu kennen.«
    »Lincoln, ich verstehe ja, daß es dir weh tut. Ich verstehe, daß du geschockt bist. Aber jetzt schlägst du einfach wie wild um dich und versuchst, die Schuld auf das nächstbeste Opfer abzuwälzen.«
    Lincoln sah Noah an. »Du hast schon einmal Ärger mit der Polizei gehabt, nicht wahr? Du hast Autos gestohlen.«
    Noah ballte die Fäuste. »Das wissen Sie?«
    »Ja. Officer Spear hat mit dem Kollegen in Baltimore gesprochen, der damals deinen Fall bearbeitet hat.«
    »Warum machen Sie sich dann noch die Mühe, mich auszuquetschen? Sie haben doch schon entschieden, daß ich schuldig bin!«
    »Ich will deine Version hören.«
    »Die kennen Sie doch schon!«
    »Du hast gesagt, du bist um den See gefahren. Du bist auch die Slocum Road entlanggefahren, nicht wahr? Hast du gemerkt, daß du sie erwischt hast? Hast du vielleicht mal daran gedacht, auszusteigen und einfach nachzusehen, verdammt noch mal?«
    »Hör auf«, sagte Claire.
    »Ich muß es wissen!«
    »Ich lasse es nicht zu, daß ein Cop meinen Sohn ohne Rechtsbeistand verhört!«
    »Ich stelle diese Fragen nicht als Cop.«
    »Du bist ein Cop! Und du stellst keine weiteren Fragen!« Sie stellte sich hinter ihren Sohn und sah Lincoln unverwandt an, die Hände auf Noahs Schultern. »Er hat dir nichts mehr zu sagen.«
    »Er wird früher oder später mit den Antworten herausrücken müssen, Claire. Die Staatspolizei wird ihm all diese Fragen stellen, und noch viele andere.«
    »Noah wird auch ihnen nichts sagen. Nicht ohne einen Anwalt.«
    »Claire«, sagte er, und seine Stimme klang gequält. »Sie war meine Frau. Ich muß die Wahrheit wissen.«
    »Willst du meinen Sohn festnehmen?«
    »Das ist nicht meine Entscheidung –«
    Claires Hände umklammerten Noahs Schultern. »Wenn du ihn nicht festnimmst und auch keinen Durchsuchungsbefehl hast, dann möchte ich, daß du mein Haus verläßt. Ich will, daß du mit Officer Spear von meinem Grundstück verschwindest.«
    »Es gibt Beweismaterial. Wenn Noah mir bloß reinen Wein einschenken und zugeben würde –«
    »Was für Beweismaterial?«
    »Blut. An deinem Transporter.«
    Sie starrte ihn an; der Schock drückte ihr wie ein Schraubstock das Herz zusammen.
    »Jemand ist vor kurzem mit deinem Transporter gefahren. Das Blut an der vorderen Stoßstange –«
    »Du hattest kein Recht dazu«, sagte sie. »Du hattest keinen Durchsuchungsbefehl.«
    »Ich brauchte keinen.«
    Die Bedeutung seiner Worte wurde ihr schlagartig klar.
    Er war letzte Nacht mein Gast. Ich habe ihm stillschweigend die Erlaubnis gegeben, sich hier aufzuhalten. Und mein Haus und Grundstück zu durchsuchen. Ich

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