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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Elliots Kennzeichen angegeben hat, Lincoln. Also sollte ich – ich sollte mir den Transporter vielleicht mal ansehen.«
    Lincoln trat in Hemdsärmeln aus dem Haus, doch er spürte die Kalte kaum, als er zur Scheune hinüberging. Er senkte den Arm bis zum Ellbogen in den Schnee, fand den Griff und öffnete das Tor.
    Drinnen standen Claires Autos Seite an Seite, links der Subaru, rechts der Transporter. Das erste, was Lincoln auffiel, waren die Lachen von geschmolzenem Schnee unter beiden Fahrzeugen. Beide waren irgendwann während der letzten ein, zwei Tage gefahren worden; hätten sie länger in der Scheune gestanden, wäre das Wasser bereits verdampft gewesen.
    Seine Benommenheit wich rasch einem Gefühl von Furcht, das ihm den Magen umdrehte. Er ging um den Transporter herum, um sich die Vorderseite anzusehen. Beim Anblick der blutverschmierten Stoßstange schien die Welt unter seinen Füßen nachzugeben, zusammenzubrechen.
    Wortlos drehte er sich um und ging nach draußen.
    Im tiefen Schnee blieb er stehen und sah zum Haus empor, wo Claire und ihr Sohn jetzt schliefen. Er wußte nicht, wie er die bevorstehende Tortur verhindern konnte, wie er sie vor der Qual bewahren sollte, die er ihr selbst würde zufügen müssen. Er hatte keine Wahl. Sie würde es sicherlich verstehen. Vielleicht würde sie ihm eines Tages sogar verzeihen.
    Aber heute – heute würde sie ihn hassen.
    »Du weißt, daß du dich da raushalten mußt«, sagte Floyd leise. »Verdammt, du mußt zusehen, daß du meilenweit Abstand von dieser Sache hältst. Doreen war deine Frau. Und du hast gerade die Nacht mit ...« Er brach ab. »Es ist ein Fall für die Staatspolizei, Lincoln. Sie werden mit dir reden wollen. Mit euch beiden.«
    Lincoln holte tief Luft. Die stechende Kälte der Luft in seinen Lungen, der physische Schmerz, tat ihm gut. »Dann hol sie doch ans Funkgerät«, sagte er. Und zögernd begann er, auf das Haus zuzugehen. »Ich muß mit Noah sprechen.«
    Sie konnte nicht verstehen, wie es hatte passieren können. Sie war in einem Paralleluniversum aufgewacht, in dem die Menschen, die sie kannte, die sie liebte, sich in einer Art und Weise verhielten, die sie nicht wiedererkannte. Da hing Noah auf dem Küchenstuhl, sein ganzer Körper so geladen vor Zorn, daß die Luft um ihn herum zu summen schien. Da war Lincoln, grimmig und unnahbar, der eine Frage nach der anderen stellte. Keiner der beiden sah sie an; offensichtlich wäre es ihnen lieber gewesen, sie nicht dabeizuhaben, doch sie hatten sie nicht darum gebeten, zu gehen. Und sie würde auf keinen Fall gehen; sie sah, in welche Richtung Lincolns Fragen zielten, und sie begriff, von welch gefährlicher Art das Drama war, das sich gerade in ihrer Küche abspielte.
    »Du mußt offen mit mir sein, Junge«, sagte Lincoln. »Ich versuche nicht, dich reinzulegen. Ich versuche nicht, dich in die Falle zu locken. Ich muß nur wissen, wohin du letzte Nacht mit dem Transporter gefahren bist und was dann passiert ist.«
    »Wer sagt, daß ich überhaupt gefahren bin?«
    »Der Transporter war offensichtlich nicht die ganze Nacht in der Scheune. Es ist Schneewasser darunter.«
    »Meine Mom –«
    »Deine Mom ist gestern abend mit dem Subaru gefahren, Noah. Sie hat das bestätigt.«
    Noah warf Claire einen vernichtenden Blick zu. Du bist auf seiner Seite.
    »Ist doch scheißegal, ob ich damit rumgefahren bin oder nicht«, sagte Noah. »Schließlich habe ich ihn in einem Stück zurückgebracht, oder etwa nicht?«
    »Ja, allerdings.«
    »Na schön, ich bin ohne Führerschein gefahren. Schicken Sie mich halt auf den elektrischen Stuhl.«
    »Wohin bist du mit dem Transporter gefahren, Noah?«
    »Einfach so durch die Gegend.«
    »Wohin genau?«
    »Durch die Gegend, okay?«
    »Warum stellst du ihm diese Fragen?« mischte sich Claire ein. »Was willst du aus ihm herausbekommen?«
    Lincoln antwortete nicht; er konzentrierte sich weiter auf Noah. So weit hat er sich schon von mir distanziert, dachte sie. So wenig kenne ich diesen Mann. Willkommen am Morgen danach, im grellen Licht der Wirklichkeit.
    »Es geht hier um mehr als nur eine Spritztour, habe ich recht?« fragte sie.
    Endlich sah Lincoln sie an. »Es hat letzte Nacht einen Unfall mit Fahrerflucht gegeben. Dein Transporter könnte darin verwickelt gewesen sein.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ein Zeuge hat gesehen, wie er Schlangenlinien gefahren ist, und daraufhin die Polizei angerufen. Das war auf derselben Straße, an der die Leiche gefunden

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