Trügerische Ruhe
Grinsen auf seinen Lippen; das eine Ende des dünnen Schnurrbarts war leicht angehoben. Es gefiel ihm, sie wütend zu machen; er genoß es, wenn sie in Rage geriet. Anders konnte er ihre Aufmerksamkeit nicht gewinnen, und Amelia wußte, daß es ihm einen lustvollen Kitzel bereitete, wenn sie nur irgendwelche Emotionen zeigte, und wenn es ein Zornesausbruch war.
Statt dessen zuckte sie nur mit den Schultern und konzentrierte sich auf den Fernseher. Eisige Unnahbarkeit war die einzige Art, mit Jack umzugehen. Keine Verärgerung zeigen, überhaupt keine Gefühle – das trieb ihn zur Weißglut. Denn es zeigte ihm genau, was er war: vollkommen unbedeutend. Ein Nichts. Während sie auf die Mattscheibe starrte, spürte sie, wie sie ein gewisses Maß an Kontrolle über ihn zurückgewann. Zur Hölle mit ihm. Er konnte nicht an sie herankommen, konnte ihr nichts anhaben, weil sie es nicht zuließ.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihr Gehirn die Bilder auf dem Fernsehschirm registrierte. Sie sah einen braunen Transporter, der von einem Polizeilaster abgeschleppt wurde, sah die verschwommene Gestalt eines Jungen, der mit verhülltem Gesicht in die Polizeistation von Tranquility geführt wurde. Als sie endlich begriff, was sie da sah, vergaß sie Jack völlig.
»... der Vierzehnjährige wird zur Zeit von der Polizei vernommen. Die Leiche der dreiundvierzigjährigen Doreen Kelly wurde heute morgen an einem entlegenen Abschnitt der Slocum Road östlich von Tranquility gefunden. Einem anonymen Augenzeugenbericht zufolge ist der Transporter des Verdächtigen gestern abend gegen neun Uhr gesehen worden, wie er in der Nähe des Unfallorts Schlangenlinien fuhr. Aufgrund nicht näher bezeichneten Beweismaterials wurde der Jugendliche in Untersuchungshaft genommen. Das Opfer, die Ehefrau von Polizeichef Lincoln aus Tranquility, hatte nach Aussage verschiedener Stadtbewohner seit Jahren schwere Alkoholprobleme ...«
Ein neues Gesicht erschien auf dem Bildschirm, eine Frau, die Amelia als die Kassiererin von Cobb and Morong’s erkannte. »Doreen war hier so was wie eine tragische Figur. Sie hätte niemals irgendwem ein Haar gekrümmt, und ich kann einfach nicht glauben, daß jemand so etwas getan haben soll. Nur ein Monster würde sie da draußen einfach sterben lassen.«
Jetzt war zu sehen, wie eine in Laken gehüllte Gestalt auf einer Bahre in einen Krankenwagen geschoben wurde.
»Für eine Gemeinde, die noch von dem tragischen Gewaltausbruch gestern abend in der High School erschüttert ist, stellt dieser jüngste Todesfall einen weiteren schweren Schlag dar – in einer Stadt, die ironischerweise den Namen Tranquility trägt ...«
Amelia sagte: »Wovon reden die eigentlich? Was ist passiert?«
Jacks farblose Augen blitzten amüsiert auf. »Hab es heute in der Stadt gehört«, sagte er. »Der Sohn von dieser Ärztin kann sich gleich aufhängen lassen.«
Noah? Er redet doch wohl nicht von Noah?
»Hat letzte Nacht die Frau des Polizeichefs überfahren, drüben auf der Slocum Road. Jedenfalls sagt das ein Zeuge.«
»Wer sagt das?«
Jacks amüsierter Ausdruck hatte sich über sein ganzes Gesicht ausgebreitet und verzerrte seine Lippen zu einem häßlichen Grinsen. »Tja, das ist wohl die Frage, nicht wahr? Wer hat es eigentlich gesehen?« Er hob die Augenbrauen mit gespielter Überraschung. »Ach, das hab ich ja fast vergessen. Das ist doch der Bursche, in den du so verknallt bist, nicht wahr? Der, den du für was ganz Besonderes hältst. Na, du hast wohl recht.« Er blickte wieder zum Fernseher und lachte. »Im Knast wird er wirklich was Besonderes sein.«
»Du kannst mich mal!« sagte Amelia, und sie lief aus dem Zimmer und die Treppe hoch.
»He! Komm sofort zurück und entschuldige dich!« schrie Jack. »Zeig gefälligst eine Spur Respekt, verdammt noch mal!«
Sie ignorierte sein Geschrei, ging geradewegs in das Schlafzimmer ihrer Mutter und schloß die Tür. Wenn er mich doch nur fünf Minuten in Ruhe lassen könnte. Wenn er mich nur diesen einen Anruf machen ließe ...
Sie nahm den Telefonhörer ab und wählte Noah Elliots Nummer.
Zu ihrer Bestürzung schaltete sich nach viermaligem Läuten der Anrufbeantworter mit der Stimme seiner Mutter ein.
»Hier spricht Dr. Elliot. Ich kann im Moment leider nicht ans Telefon kommen. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. In Notfällen können Sie mich über die Zentrale des Knox Hospitals ausrufen lassen. Ich werde dann so bald wie möglich zurückrufen.«
Als der Piepston
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