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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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dann vermischt sich der Argwohn mit Faszination. Und aus dieser Faszination konnte für jemanden wie Mairead Temple eine Obsession werden – für sie, die den ganzen Tag in ihrer düsteren Küche vor sich hin brütete und Zigaretten rauchte, die Glamour versprachen, aber nichts brachten als Bronchitis und gelbe Zähne. Rachel Sorkin hatte keine gelben Zähne. Rachel war schön und ungebunden und ein wenig exzentrisch.
    Deshalb mußte Rachel eine Hexe sein.
    Und weil Warren Emerson an Halloween in seinem Maisfeld ein Feuer entzündet hatte, mußte auch er ein Hexer sein.
    Obwohl die Dämmerung noch nicht hereingebrochen war, schaltete Claire das Licht an. Der warme Schein der Armaturen wirkte irgendwie tröstlich auf sie. Diese Zeit des Jahres, dachte sie, löst in uns allen irrationale Ängste aus. Und noch haben wir den dunkelsten Punkt der Jahreszeit nicht erreicht. Wenn die Nächte länger werden und die ersten heftigen Schneefälle kommen, die uns gänzlich von der Außenwelt abschneiden, wird diese trostlose und einsame Landschaft zu unserem Universum. Und es ist ein erbarmungsloses Universum, in dem ein Fleckchen Glatteis und die bittere Kälte einer Nacht für uns zum Richter und Henker zugleich werden können.
    Sie erreichte den freistehenden Briefkasten mit der Aufschrift »Braxton« und bog in die unbefestigte Auffahrt ein. Das Haus ihrer Patientin stand inmitten brachliegender Felder. Die Farbe war von den Schindeln abgeblättert, das Holz silbrig verwittert. Auf der Veranda lehnte ein Stapel Brennholz gegen das windschiefe Geländer. Das alles würde eines Tages zusammenbrechen – das Geländer, die Veranda, das Haus selbst. Die einundvierzigjährige, geschiedene Faye Braxton, die hier mit ihren beiden Kindern lebte, wies ähnliche Konstruktionsmängel auf wie das Gebäude, in dem sie lebte. Beide Hüftgelenke waren durch Rheumatismus zerstört, und ohne fremde Hilfe konnte sie nicht einmal einen Schritt vor ihre freudlose Behausung tun.
    Claire stieg mit ihrer Arzttasche die Stufen der Veranda hoch. Erst jetzt bemerkte sie, daß irgend etwas nicht stimmte.
    Die Außentemperatur lag bei zwei Grad, und die Haustür stand offen.
    Sie steckte den Kopf durch die Tür und rief in das Halbdunkel hinein: »Mrs. Braxton?« Sie hörte einen Fensterladen im Wind schlagen. Und sie hörte noch etwas anderes – das leise Geräusch von Schritten, die in einem der oberen Zimmer herumtrappelten. Eines der Kinder?
    Claire betrat das Haus und schloß die Haustür gegen die Kälte. Keinerlei Licht brannte, und das schwindende Tageslicht schimmerte schwach durch die dünnen Wohnzimmervorhänge. Sie tastete sich den Flur entlang und suchte den Lichtschalter. Endlich fand sie ihn und schaltete das Licht ein.
    Zu ihren Füßen lag eine nackte Barbiepuppe auf dem abgewetzten Läufer. Claire bückte sich und griff danach. »Mrs. Braxton? Ich bin’s, Dr. Elliot.«
    Die Antwort war Schweigen.
    Sie betrachtete die Barbiepuppe und bemerkte, daß ihr blondes Haar zur Hälfte abgeschnitten worden war. Bei ihrem letzten Hausbesuch hier vor drei Wochen hatte sie eine Puppe wie diese in den Händen von Faye Braxtons siebenjähriger Tochter Kitty gesehen. Sie hatte ein rosafarbenes Ballkleid angehabt, und ihr langes blondes Haar war mit einem Stück grünen Haarbandes zurückgebunden gewesen.
    Ein kalter Schauer stieg ihr das Rückgrat hoch.
    Wieder hörte sie es: das schnelle tapp-tapp-tapp von Schritten über der Zimmerdecke. Sie sah zur Treppe, die zum Obergeschoß führte. Jemand war zu Hause, und dennoch war die Heizung abgeschaltet, das Haus war eiskalt, und kein Licht brannte.
    Langsam schlich sie wieder zur Tür und floh nach draußen.
    Von ihrem Auto aus rief sie mit dem Handy die Polizei an.
    Officer Mark Dolan war am Apparat.
    »Hier spricht Dr. Elliot. Ich bin beim Haus der Braxtons. Irgend etwas stimmt hier nicht.«
    »Wie meinen Sie das, Dr. Elliot?«
    »Ich habe die Haustür offen vorgefunden; die Heizung ist aus, und es brennt nirgendwo Licht. Aber ich habe gehört, wie sich im oberen Stock jemand bewegt hat.«
    »Ist die Familie zu Hause? Haben Sie sich vergewissert?«
    »Ich möchte lieber nicht nach oben gehen.«
    »Sie müssen doch nur mal nachsehen. Wir werden hier mit Anrufen überhäuft, und ich weiß nicht, wann ich einen Mann zu Ihnen schicken kann.«
    »Hören Sie, warum schicken Sie nicht einfach irgendwen? Ich sage Ihnen, die Sache kommt mir sehr verdächtig vor.«
    Officer Dolan seufzte laut. Sie konnte

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