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Trügerische Ruhe

Trügerische Ruhe

Titel: Trügerische Ruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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glänzende Hand ans Licht.
    Blut.
    Die einzige Vorwarnung war das Knarren der Dielen.
    Jemand steht hinter mir.
    Claire drehte sich in dem Moment um, als der Schatten auf sie zuflog. Der Aufprall trat sie heftig an der Brust, und sie wurde nach hinten geschleudert. Das Gewicht des Angreifers preßte sie nieder. Krallende Hände griffen nach ihrer Kehle. Sie versuchte, sie wegzureißen, schlug wie wild nach links und rechts aus, und ein Dutzend schemenhafte Bilder schwirrten vor ihren Augen. Der Kleiderständer fiel krachend um. Im Licht der schwankenden Glühbirne sah sie das Gesicht des Angreifers.
    Der Junge.
    Seine Hände schlossen sich fester um ihren Hals, und ehe ihr schwarz vor Augen wurde, sah sie, wie er die Zähne entblößte, wie sich seine Augen zu schmalen Schlitzen verengten.
    Sie krallte nach ihnen. Mit einem Aufschrei ließ der Junge von ihr ab und stolperte rückwärts. Sie schaffte es, wieder auf die Beine zu kommen, bevor er erneut auf sie zustürzte. Sie wich zur Seite aus, und er flog an ihr vorbei und landete zwischen den Pappkartons. Bücher und Werkzeuge wurden umhergeschleudert.
    Den Schraubenzieher sahen beide im gleichen Moment.
    Sie stürzten gleichzeitig auf ihn zu, doch er war näher dran. Er schnappte ihn und hielt ihn hoch über seinen Kopf. Als er zustach, hob sie beide Hände, um das Handgelenk des Jungen festzuhalten. Seine Kraft schockierte sie. Er zwang sie in die Knie. Die Spitze des Schraubenziehers kam immer näher, so sehr sie sich auch wehrte.
    Dann hörte sie durch das Dröhnen ihres eigenen Pulsschlags, wie eine Stimme ihren Namen rief. Sie schrie auf: »Hilfe!«
    Schritte kamen polternd die Treppe hoch. Plötzlich brachen die Schraubenzieherattacken ab. Der Junge machte auf dem Absatz kehrt und griff Lincoln an, der auf ihn zugestürzt kam. Sie sah, wie der Junge das Gleichgewicht verlor und auf den Rücken fiel. Er und Lincoln rollten in einem Gewirr um sich schlagender Arme und Beine über den Boden, Möbel und Kisten umherstoßend. Der Schraubenzieher rollte davon und verschwand in der Dunkelheit. Dann gelang es Lincoln,
    den Jungen mit dem Gesicht nach unten am Boden festzuhalten, und Claire hörte das metallische Klicken, als die Handschellen sich um seine Handgelenke schlossen. Selbst jetzt wehrte sich der Junge noch nach Leibeskräften und trat blind um sich. Lincoln schleppte ihn zu einem Stützpfeiler und band ihn mit seinem Gürtel daran fest.
    Als er sich schließlich Claire zuwandte, atmete er heftig, und auf einer Wange schwoll ein Bluterguß an. Jetzt erst bemerkte er das Mädchen, das zwischen den Pappkartons lag.
    »Sie blutet!« sagte Claire. »Helfen Sie mir, sie nach unten zu tragen, ins Licht.«
    Er nahm das Mädchen in die Arme und hob es auf.
    Als er sie auf den Küchentisch legte, hatte sie aufgehört zu atmen. Claire beatmete sie mit drei raschen Stößen, dann fühlte sie den Puls an der Halsschlagader. Nichts. »Holen Sie sofort einen Krankenwagen her!« sagte sie zu Lincoln. Sie legte die Hände auf das Brustbein des Mädchens und begann mit der Herzmassage. Die Bluse war blutgetränkt, und ihre Hände rutschten beim Pumpen immer wieder ab. Und ständig sickerte noch mehr Blut durch den Stoff. Sie ist erst sieben Jahre alt. Wieviel Blut kann ein Kind verlieren? Wie lange kann ich ihre Gehirnzellen noch am Leben halten?
    »Krankenwagen ist unterwegs!« rief Lincoln.
    »Okay, jetzt müssen Sie ihre Bluse aufschneiden. Wir müssen feststellen, wo sie blutet.« Claire unterbrach die Massage, um dem Mädchen drei weitere Atemstöße zu verabreichen. Sie hörte das Reißen von Stoff und sah, daß Lincoln die Brust des Mädchens bereits freigelegt hatte.
    »O Gott«, murmelte er. Blut quoll aus einem halben Dutzend Stichwunden.
    Sie legte die Hände wieder auf den Brustkorb und fuhr mit der Herzmassage fort. Doch mit jedem Pumpen floß noch mehr Blut aus dem Körper des Mädchens.
    Das Heulen einer Sirene kam näher, und durch das Küchenfenster sahen sie die grellen Lichtblitze des vorfahrenden Krankenwagens. Zwei Sanitäter stürmten herein, warfen einen Blick auf das auf dem Tisch liegende Mädchen und öffneten ihren Notarztkoffer. Claire fuhr mit der Herzmassage fort, während die Sanitäter das Kind intubierten, einen venösen Zugang legten und die EKG-Kabel anbrachten.
    »Haben wir einen Rhythmus?« fragte Claire, während sie die Massage für einen Moment unterbrach.
    »Rapide Sinustachykardie.«
    »Blutdruck?«
    Sie hörte das rhythmische

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