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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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fünfzig Schritte von ihm entfernt war. Er zwang sich, nicht auffällig schnell zu laufen, denn ein Mann aus Amskwa hatte zurzeit Besseres zu tun, als die Stadt in aller Eile zu verlassen.
    Er schritt unter der nächsten Leiche hindurch, als der Fuß nach vorn schnellte und ihn am Kopf traf. Raspot stöhnte auf und taumelte gegen die Hauswand. Als er nach oben schaute, sah er, wie die Frau ihm ihr fahles Gesicht zuwandte und ihn anstarrte.
    »Mein Gott, sie lebt noch!«, ächzte er, doch dann wandelte sich die Hoffnung, sie vor dem Tod bewahren zu können, in pures Entsetzen. Die Frau konnte nicht mehr leben! Ihr Genick war derart stark zur Seite gebogen, dass ihre Wirbel gebrochen sein mussten. Er zog den Säbel. »Ulldrael, beschütze mich vor dem Spuk!«
    Sie öffnete den Mund und stieß einen schrillen, anhaltenden Schrei aus; ihr linker Arm hob sich, und sie deutete auf ihn. Die nächste Frauenleiche tat es ihr nach, immer mehr Gehenkte stimmten ein, und bald gellte ein Gekreisch, das geradewegs aus der Unterwelt stammte, durch die Straßen.
    »Nein!«, keuchte Raspot in höchster Angst und rannte los, um endlich aus der verfluchten Stadt zu gelangen.
    Eine tote Frau unmittelbar vor ihm zappelte so sehr an ihrem Strick, bis das Seil riss und sie auf die Straße fiel. Sie stemmte sich sofort in die Höhe und stellte sich ihm in den Weg. »Ich lasse dich nicht entkommen«, würgte sie mehr als sie sprach, da das Seil ihre Kehle gequetscht hatte. Eine eiskalte Hand umklammerte das Herz des Kabcar, während sich das Grauen unaufhörlich steigerte. Die Hand
    mit dem Säbel zitterte. »Ich habe nichts getan! Ich habe deinen Tod nicht angeordnet«, stotterte er und wich vor dem lebenden Leichnam zurück.
    Der entseelte Körper, aus dessen Nacken die geborstenen, blutigen Wirbel hervorstanden, lachte gurgelnd. »Wir hatten eine schöne Zeit, Raspot. Der Tag, an dem wir den Ausflug zum Angelsee unternahmen und Bschoi in den Wellen versank, wird mir ewig in Erinnerung bleiben.«
    Das kann nicht sein! Ich bilde mir das alles ein. Er überwand die Scheu und hackte mit dem Säbel nach der toten Frau.
    Die Schneide glitt durch ihr verfärbtes Fleisch, ohne dass sie sich darum kümmerte. Ihr rechter Arm hob sich, die kalten Finger umschlossen seine Kehle und pressten mit übernatürlicher Stärke zu. »Du wirst als jener Herrscher Borasgotans in die Geschichte eingehen, der auf dem besten Weg war, noch geisteskranker zu regieren als Arrulskhan. Aber ich werde aus deinem Schatten treten und das Reich zu einer Stärke führen, dass die anderen Länder sich vor mir fürchten und meinen Namen mit Demut und Angst aussprechen.«
    Raspot gelang es, seine Waffe aus dem Körper zu ziehen und zum Hieb auszuholen, um die Hand zu durchschlagen -da wurde sein Arm festgehalten! Eine zweite Leiche hatte sich ihnen unbemerkt genähert.
    »Du wirst sterben, Raspot, und die Leute von Amskwa werden sagen, dass sich die Toten für die Gräueltaten gerächt haben, die du begingst«, sprach diese Leiche zu ihm, während der Druck auf seinen Hals zunahm und ihm die Luft beinahe gänzlich abschnürte.
    »Wer .. ?« Raspot, der mehr und mehr das Bewusstsein verlor, sank in die Gosse und wurde vom Abwasser umspült.
    Die Leichen klammerten sich erbarmungslos an Ihn und drückten ihn mit dem Gesicht nach unten in die Brühe, damit sich seine Lungen bei jedem noch so winzigen Atemzug mit dünnflüssiger Kloake füllten. Der Kabcar starb qualvoll
    und unwissend. Als man ihn unter den beiden sterblichen Überresten der Gehenkten fand, schworen die Menschen, dass sie noch keinen Toten gesehen hatten, der ein solches Entsetzen auf seinen Zügen getragen hatte wie Raspot der Erste.
    Kontinent Ulldart, Südwestküste von Iuris, Herbst im Jahr 1 Ulldrael des Gerechten (460 n. S.) Wie würdet Ihr versuchen, die Iurdum-Inseln zu erobern, Commodore?« Torben stand am Bug der Varia, einen Fuß auf eine Seilrolle gestemmt.
    Neben ihm hatte sich sein neuer Verbündeter eingefunden und betrachtete die Festung, auf deren Seetor sie zuliefen, ein weiteres Mal durch das Fernrohr.
    Es konnte kaum einen größeren Unterschied geben: der eine jung, der andere in den besten Mannesjahren; der eine in einem aufwändigen Gehrock mit allerlei Verzierungen, der andere in einer schlichten, leichten Lederrüstung; der eine nicht der Hübscheste, der andere trotz seiner Fältchen ein echter Frauenschwarm. Der eine ein Palestaner, der andere ein Rogogarder.
    »Um ehrlich zu sein,

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