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Trügerischer Friede

Trügerischer Friede

Titel: Trügerischer Friede Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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auf den Befehl. Die Peitsche knallte laut, ruckartig setzte sich das Gefährt in Bewegung, und die Insassen hatten alle Mühe, sich in ihren Sitzen zu halten. Das Geschrei wurde immer lauter. Der Kutscher steuerte mitten hinein und trieb die Pferde mit Schreien und Schlägen an, rücksichtslos durch die Menschen zu pflügen. Die Kutsche schaukelte und hüpfte, als die Räder mehrere Leiber überrollten. Dafür wurden Fackeln ins Innere geworfen, die Fjanski und Raspot aufsammelten und durch die geborstenen Fenster nach draußen schleuderten. Kleine Schwelbrände im Stoff traten sie aus.
    Plötzlich schrie der Kutscher auf. Der Kabcar sah ihn seitlich vom Bock stürzen und in der Menge verschwinden, die sich wütend auf ihn stürzte. Führerlos rasten die Pferde weiter, und noch immer stellten sich ihnen Bewohner der Stadt entgegen.
    In einer engen Kurve kippte die Kutsche aufgrund ihrer viel zu hohen Geschwindigkeit zur Seite. Raspot wurde herausgeschleudert und landete in der Auslage eines Gemüsehändlers. Die Bretter brachen zusammen, und die Kohlköpfe begruben ihn schützend unter sich.
    Im Nu kamen die Menschen angerannt und zerrten Fjanski aus der Kutsche. Jeder, der es schaffte, in seine Nähe
    zu kommen, trat nach ihm. Bald hing seine Kleidung in Fetzen an ihm herab. Er blutete am Kopf, sein linker Arm war
    gebrochen.
    Raspot nahm seinen Mut zusammen und wollte sich den
    Menschen zeigen, um Fjanskis Leben zu retten. Er musste wenigstens versuchen, das Vorgefallene zu erklären.
    »Nein! Nein, lasst mich! Ich habe es nicht angeordnet!«, schrie der Adlige laut, während sie eines der Kutschenräder abmontierten und heran rollten, um ihm die Arme und Beine zu zerschmettern und ihn in die Speichen zu flechten. Er reckte den Arm, zeigte auf den Hügel aus Kohl, unter dem Raspot lag.
    »Der Kabcar war es! Raspot der Erste hat es verlangt! Von euch und den anderen Städten.« Die Menschen zögerten. »Ich kam hierher, um die Tat zu verhindern«, sprach er eindringlich. »Glaubt mir, ich würde so etwas niemals zulassen! Der Kabcar hat den Verstand verloren.«
    Du Verräter! Raspot hielt sich bereit, aufzuspringen und davonzulaufen. Ich ahnte, dass du dahinter steckst.
    »Ja, und, Fjanski? Du und die anderen Adligen haben ihn doch zum Herrscher gemacht!«, rief ein junger Mann, der sich nicht von den Worten täuschen ließ, und nahm das Rad in beide Hände. »Du wirst ebenso leiden wie er. Ihr werdet für den Tod meiner Frau bezahlen!« Er hob es an und ließ es mit Wucht auf den Unterschenkel des Harac herab sausen; der Knochen zersprang knirschend, und Fjanski brüllte laut.
    Raspots Mitleid hielt sich in Grenzen. Er kroch unter den Gemüseköpfen entlang, denn noch achteten die Menschen nicht auf ihn, weil sie die Worte ihres Gefangenen für eine Ablenkung hielten. Schließlich sprang er auf und rannte in
    die nächstgelegene Gasse.
    Hinter ihm erklangen überraschte Rufe und Stiefelschritte, die über das nasse Pflaster rannten. Man verfolgte ihn.
    Inzwischen hatte der Kabcar begriffen, dass ihn die Amskowiter niemals anhören würden. Sie waren erfüllt von Rachsucht, welche er ihnen nicht einmal verdenken konnte. Also blieb ihm nur die Flucht. Sein Weg führte ihn dicht an den Füßen pendelnder Leichen vorbei. Sie streiften ihn mehr als einmal, als wollten sie nach ihm treten oder ihn mit den Beinen umklammern. Er schauderte. Nur ein Kranker kann sich solche kranken Befehle ausdenken, um mich als Wahnsinnigen darzustellen, dachte er. Im Laufen zog er seinen Uniformmantel mit den Insignien des Kabcar aus und schleuderte ihn von sich, sein Wams und das Hemd folgten kurz darauf. Von einer der Leichen riss er sich einen groben Umhang herunter und legte ihn sich um.
    Seine Verfolger hatten ihn im Gewirr der Gassen verloren. Der weithin sichtbare Feuerschein stammte vom Rathaus; die Menge hatte den Amtssitz in Brand gesteckt, um auf diese Weise ihrem Hass gegen die Obrigkeit freien Lauf zu lassen. Raspot schlich durch Amskwa und suchte nach dem Weg zum Stadttor, während die Menschen die Toten von den Stricken schnitten, um sie mit nach Hause zu nehmen und im Kreis der Familie zu betrauern. Eisige Wut stieg in ihm auf. Wer auch immer in diese Intrige verwickelt ist, er wird sterben, beschloss er. Ich werde sie auf einen Platz treiben und sie denen überlassen, denen sie Leid und Schaden zugefügt haben. Soll das Volk sie in kleine Stücke reißen, meinen Segen hat es. Raspot gelangte zum Haupttor, das keine

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