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Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Trügerischer Spiegel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Deckenlampen gehängt worden war. In lebhaftem Kontrast zu der schläfrigen Stimmung dröhnte wilde Musik aus der Musikbox.
    Van bestellte eine Flasche Scotch. »Ich sollte wirklich mal was essen«, murmelte Irish wenig überzeugt.
    Der Videokameramann zuckte mit den Schultern und füllte die beiden Gläser, die der Wirt ihnen brachte. »Seine bessere Hälfte kocht auch, wenn man was bestellt.«
    »Ißt du öfter hier?«
    »Gelegentlich«, erwiderte Van und zuckte noch einmal lakonisch mit den Schultern.
    Das Essen kam, aber nach ein paar Bissen merkte Irish, daß er eigentlich doch keinen Hunger hatte. Er schob den Teller zur Seite und griff nach seinem Whisky. Der erste Schluck traf seinen Magen wie ein Flammenwerfer. Tränen stiegen ihm in die Augen, und er holte pfeifend Luft.
    Aber mit der Übung eines professionellen Trinkers erholte er sich schnell und nahm noch einen Schluck. Die Tränen blieben in seinen Augen. »Ich werde sie verdammt vermissen.«
    »Ja, ich auch. Sie konnte verflucht lästig sein, aber längst nicht so wie die meisten anderen.« Die Musikbox verstummte.
    »Sie war wie meine Tochter, weißt du?« fragte Irish rein rhetorisch. Van rauchte weiter und zündete sich die nächste Zigarette an der Spitze der letzten an. »Ich erinnere mich an den Tag, als sie geboren wurde. Ich war auch im Krankenhaus und schwitzte zusammen mit ihrem Vater. Wir warteten. Gingen auf und ab. Und jetzt muß ich mich an den Tag erinnern, an dem sie gestorben ist.« Irish kippte einen kräftigen Schluck Whisky hinunter und füllte sein Glas wieder. »Weißt du, ich bin einfach gar nicht auf den Gedanken gekommen, daß das ihre Maschine war, die abgestürzt ist. Und ich habe sie nach Dallas geschickt.«
    »Mensch, mach dir deswegen keine Vorwürfe, du hast nur deine Arbeit gemacht. Du konntest es doch nicht wissen.«
    Irish starrte in die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas.
»Mußtest du schon mal einen Toten identifizieren, Van?« Er wartete nicht auf eine Antwort. »Sie lagen alle in einer Reihe, wie –« Er seufzte unsicher. »Verflucht, ich weiß es nicht. Ich war nie im Krieg, aber so ähnlich muß es gewesen sein. – Sie war in einer schwarzen Plastiktüte mit Reißverschluß. Sie hatte kein einziges Haar mehr«, sagte er, und seine Stimme bebte. »Es war alles verbrannt. Und ihre Haut... mein Gott!« Er bedeckte die Augen mit seinen gedrungenen Fingern. »Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre sie nicht mit dieser Maschine geflogen.«
    »Mensch, Irish.« Mit diesen beiden Worten war Vans Wortschatz an mitfühlenden Ausdrücken erschöpft. Er füllte Irishs Glas nach, zündete noch eine Zigarette an und gab sie dem trauernden Mann. Er selbst ging inzwischen zu Marihuana über.
    Irish zog an seiner Zigarette. »Gott sei Dank mußte ihre Mutter sie nicht so sehen. Wenn sie nicht ihr Medaillon fest in der Hand gehabt hätte, hätte ich sie nicht einmal als Avery erkannt.« Sein Magen drehte sich ihm fast’um, wenn er daran dachte, was durch den Absturz aus ihr geworden war. »Ein Glück, daß ihre Mutter sie nicht so sehen mußte.«
    Irish drehte seinen Drink hin und her, bevor er seinen Blick hob. »Ich habe sie geliebt – Rosemary meine ich. Averys Mutter. Zum Teufel, ich konnte nicht anders. Cliff, ihr Vater, war fast ständig weg, in irgendeinem fernen Höllenloch irgendwo auf der Welt. Jedesmal, wenn er wegfuhr, hat er mich gebeten, mich um sie zu kümmern. Er war mein bester Freund, aber mehr als einmal hätte ich ihn dafür am liebsten umgebracht.«
    Er schlürfte an seinem Drink. »Ich bin sicher, daß Rosemary es wußte, aber wir haben nie auch nur ein Wort darüber verloren. Sie liebte Cliff. Das wußte ich.«
    Irish war seit Averys siebzehnten Lebensjahr so etwas wie ein Ersatzvater gewesen. Cliff Daniels, ein bekannter Fotoreporter, war bei einem Kampf um irgendein unbedeutendes, unaussprechliches Dorf in Mittelamerika ums Leben gekommen. Ohne viel Aufhebens zu veranstalten, hatte Rosemary nur wenige Wochen nach dem Tod ihres Mannes ihrem Leben ein Ende gemacht und Avery allein und ohne einen Menschen außer Irish, dem standhaften Freund der Familie, zurückgelassen.
    »Ich bin genausosehr Averys Daddy wie Cliff es war. Vielleicht sogar noch mehr. Als ihre Eltern starben, wandte sie sich an mich. Und zu mir ist sie auch gekommen, nachdem sie sich letztes Jahr in D. C. so in Schwierigkeiten gebracht hatte.«
    »Damals hat sie wirklich voll danebengehauen, aber sie war trotzdem eine gute

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