Trügerisches Bild: Ein Auftrag für Spenser
ich.
„Sie meinen, im Gedenken an jemanden, der tatsächlich in Auschwitz gewesen ist?“
„Ja.“
„Wäre möglich.“
„Wenn ja, dann müsste es einen Namen zu dieser Nummer geben.“
„Die KZs sind vor mehr als 64 Jahren befreit worden.“ „Nazis waren immer gut in Aktenführung.“
„Sie meinen, diese rationellen Dreckskerle haben die Nummern und die Namen irgendwo notiert? Und archiviert?“
„Sie wissen doch, wie die drauf gewesen sind.“
Quirk nickte. „Gut. Die haben da also Akten zu angelegt.“ „Ja.“
„Und wo finden wir die?“
„Keine Ahnung“, sagte ich.
27
Ich fing Rosalind Wellington nach einem Lyrik-Schreibkurs im Cambridger Zentrum für Erwachsenenbildung in der Brattle Street ab.
„Erinnern Sie sich noch an mich?“, fragte ich.
„Sie sind bei meinem Mann gewesen, als er starb“, sagte sie.
„Spenser.“
„Ja. Weiß ich noch.“
„Darf ich Sie zu einem Drink einladen?“
Sie hielt einen Moment inne und nickte dann. „Warum?“ „Um zu schauen, wie es Ihnen geht, um uns über Ihren Mann zu unterhalten.“
„Wir könnten ja vielleicht ins Harvest gehen. Das ist gleich nebenan.“
Wir setzten uns an die Bar. Das Harvest war ein bisschen zu elegant für meinen Geschmack. Ich war wahrscheinlich der Einzige hier drin, der eine Schusswaffe trug. Ich fragte nach Bier. Rosalind bestellte Pernod auf Eis. Als er kam, nahm sie einen großen Schluck davon.
„Wie geht es Ihnen denn so?“, fragte ich.
„Das Leben gehört den Lebenden“, sagte sie. „Ich habe noch nie viel in der Vergangenheit geschwelgt.“
Ich nickte. „Dann geht es Ihnen gut.“
„Verlust ist der Preis, den wir für den Fortschritt bezahlen. Nur wenn wir Dinge hinter uns lassen, bewegen wir uns vorwärts.“
„Ach, das mal bestimmt. Ich freue mich, dass Sie es so positiv nehmen können.“
Sie hatte ihren Pernod geleert, und ich nickte dem Barmann für Nachschub.
„Das Leben ist neutral“, sagte sie. „Es ist unsere Entscheidung, ob es positiv oder negativ wird.“
„Natürlich. Das ist sehr klug beobachtet.“
„Ich bin Dichterin. Das Leben ist mein Thema.“
„Und Sie haben sich entschieden, es positiv werden zu lassen.“
„Ich entscheide mich jeden Tag aufs Neue dafür.“
Ihr zweiter Pernod kam. Dem stand sie wohl auch positiv gegenüber.
„War Ihr Mann auch so, hm, philosophisch wie Sie?“
Sie kippte einen Schwung Pernod herunter. „Mein Mann war habgierig. Und egoistisch und sexsüchtig und sehr darum besorgt, was andere dachten.“
„Schlechte Kombination für einen Philosophen.“ „Verstohlen und getrieben.“
„Verstohlen?“
Sie lächelte traurig und gönnte sich einen Schluck Pernod. „‚Ein Leben in stiller Verzweiflung‘. Um mit Emerson zu sprechen.“
Ich war mir ziemlich sicher, dass Thoreau das gesagt hatte,
fand es aber zweckdienlicher, das nicht zu erwähnen. „Wie
geht es mit Ihrem Gedicht voran?“
„Ich arbeite fortwährend an meinen Gedichten.“
„Ich meinte eigentlich das eine, das Sie über den Tod Ihres Mannes schreiben wollten.“
„Es ist noch immer im Stadium der Ausbildung, aber ich weiß, dass es freie Verse sein werden. Ein langes Erzählgedicht in freien Versen über die Reise der Seele durch das Leid.“
„Ich freue mich schon darauf, es zu lesen.“
„Mein Mann ist künstlerisch schwer zu fassen.“
„Das glaube ich sofort. Erzählen Sie mir von ihm.“
Sie wappnete sich dafür, indem sie ihren zweiten Pernod leerte. Ich nickte dem Barmann erneut. Er brachte Nachschub und sie nickte zum Dank herrisch. Mir war schon aufgefallen, dass bestimmte Trinker nach ein paar Drinks herrisch wurden, wahrscheinlich um zu beweisen, dass sie keine Trinker waren.
„Er war … Er war komplexe Verstellung. Nichts an ihm war echt. Ein … ein Flickwerk der Täuschungen.“
„Haben Sie ihn geliebt?“
„Das dachte ich jedenfalls. Was ich geliebt habe, war die Maske, die Larve der Respektabilität, die er aufgesetzt hat, um sich dahinter zu verstecken.“
„Ich bin fasziniert. Erzählen Sie mir davon.“
Sie schnaubte, wenn auch auf herrische Weise. „Er hieß nicht einmal Prince.“
„Sondern?“
„Prinz. Ascher Prinz. Er war Jude.“
„Oi“, sagte ich.
Sie beachtete mich gar nicht. Was mir nichts ausmachte. Ich ging davon aus, dass sie niemanden beachtete. „Er schämte sich seiner jüdischen Herkunft. Er redete nie darüber.“
„Haben Sie eine Ahnung, warum?“
„Nein, überhaupt nicht. Für mich ist
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