Trügerisches Spiel (German Edition)
bildete. Matthew schien zu ahnen, wie ihr zumute war, und drückte ihr eine Tasche in die Hand. »Hier, zieh dich um. Sowie du fertig bist, brechen wir auf.«
Gehorsam nahm Jocelyn die Tasche entgegen, griff sich ihren Rucksack, weil sie fast sicher war, dass der Marshal nicht an so grundlegende Dinge wie Deo und Bürste gedacht hatte, und zog sich ins Bad zurück. Sie schloss die Tür und setzte sich auf die Toilette, bevor sie die Tasche leerte. Es kamen ein sommerlich gemustertes Kleid zum Vorschein, das eher einem Zelt glich, und ein Gürtel mit einer dicken Schaumstoffkugel über der Schnalle. Was zum Teufel …? Als ihr aufging, was Matthew damit bezweckte, verzog sie den Mund. Dachte er tatsächlich, sie würde mit einem riesigen Bauch weniger auffallen? Gut, er war der Profi und sie hatte ihn um Hilfe gebeten, also würde er wohl wissen, was er tat.
Nach kurzem Überlegen beschloss sie, das Top und die Shorts anzubehalten und das Kleid nur darüberzuziehen. So konnte sie es schnell loswerden, wenn es sein musste. Jocelyn griff noch einmal in die Tasche und zog eine Perücke mit einem hellbraunen Bob hervor. Erneut schnitt sie eine Grimasse, bevor sie ihren langen Zopf hochsteckte und den Haarersatz darüberstülpte. Vor dem Spiegel zog sie die Perücke zurecht, bis sie halbwegs natürlich wirkte. Die Haarfarbe ließ ihre Haut noch bleicher wirken, sie sah aus wie eine wandelnde Leiche. Aber mit einem hatte Matthew Recht: Niemand würde in ihr Jocelyn Callaghan oder auch Hannah Turner erkennen. Jetzt fehlte nur noch der Gürtel, dann war sie fertig. Mit einem tiefen Seufzer schob sie das Kleid hoch und band sich den Bauch um. Gerade, als sie das Kleid herunterzog, hörte sie ein lautes Geräusch aus dem Nebenzimmer. Es klang, als wäre etwas Schweres umgefallen.
In ihrem Nacken prickelte es warnend und sie unterdrückte gerade noch den Impuls, nach Matthew zu rufen. Stattdessen öffnete sie lautlos die Tür einen winzigen Spalt und blickte hindurch. Erleichtert atmete sie auf, als sie Matthew mit dem Rücken zu ihr im Zimmer stehen sah. Doch dann fiel ihr Blick auf die schwarzen Haare und sie erkannte, dass es jemand anders sein musste. Matthew war blond. Doch wo war der Marshal? Der Mann beugte sich zu etwas herunter, das auf dem Boden lag. In der Hand hielt er eine Pistole. Jocelyn presste die Hand vor den Mund, damit ihr entsetztes Keuchen nicht zu hören war, als sie Matthew erkannte, der anscheinend gestürzt war. Hatte der Verbrecher ihn erschossen oder lebte er noch? Irgendetwas musste sie tun, um ihm zu helfen, aber sie wusste nicht, was. Wenn sie in den Raum trat, würde der Mann sich umdrehen und sie erschießen, und sie hatte keine Waffe, mit der sie ihn zuerst unschädlich machen konnte.
Die Entscheidung wurde für sie getroffen, als ein leises Ploppen ertönte und die Waffe in der Hand des Verbrechers zuckte. Wenn Matthew vorher noch gelebt hatte, war er jetzt sicher tot. Oh Gott! Tränen verschleierten ihre Sicht, Panik setzte ein. Irgendwie musste sie entkommen, aber es gab keine Möglichkeit. Der Verbrecher versperrte ihr den Weg zum Ausgang, sie würde nie an ihm vorbeikommen. So leise wie möglich schloss Jocelyn die Badezimmertür und drehte den Schlüssel herum. Ein leises Kratzen ertönte, und ihr Herz blieb für einen kurzen Moment stehen, bevor es wieder lospolterte.
Sie drehte sich um und ließ ihren Blick durch das Badezimmer gleiten. Es gab nur ein kleines Fenster, und sie wusste nicht, ob es überhaupt zu öffnen war. Selbst wenn würde sie kaum hindurchpassen. Aber es war ihre einzige Möglichkeit, wenn sie nicht wie ein Lamm auf der Schlachtbank hier warten wollte, bis der Verbrecher zu ihr kam und sie genauso ermordete wie den Marshal. Tränen drohten erneut in ihr aufzusteigen, doch sie schluckte sie herunter. Sie würde später um Matthew trauern – wenn sie dann noch lebte. Und sie würde alles dafür tun zu überleben, um seinen Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Entschlossen kletterte Jocelyn auf den Waschtisch und legte ihre Hand um den Fenstergriff. Er bewegte sich! Als sie daran zog, öffnete sich das Fenster mit einem leisen Quietschen. Furcht breitete sich in ihr aus, als sie das viel zu kleine Quadrat sah, durch das sie klettern musste, um dem Mörder zu entkommen.
Jocelyn blickte an sich herunter. Ihr Bauch wölbte sich dank Matthews Verkleidung weit hervor, damit würde sie nie durch das Fenster passen. Erneut zog sie das Kleid hoch und kämpfte mit dem
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