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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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Dann jedoch empfindet er diese Nachforschungen als zu persönlich. Er schließt die Tür hinter sich.
    Eine lange Zeit verbringt er am Telefon: Maschke ist nicht aufzutreiben. Stave ist beunruhigt, weil er nicht einmal ein Hotel ausfindig machen kann, in dem Maschke die vergangene Nacht abgestiegen wäre. Der wird doch jetzt nicht untertauchen, fleht er stumm und fragt sich, ob er sich irgendwie verraten hat. Schließlich steht er auf, verlässt die Kripo-Zentrale und geht die wenigen Meter über den zugigen Platz bis zur Staatsanwaltschaft.
    Ehrlich streicht sich über das kahle Haupt, er scheint erfreut zu sein, ihn zu sehen. In seinem Büro duftet es wie immer nach Tee. Earl Grey, vermutet Stave.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Meinen Kollegen verhaften, hätte Stave gerne geantwortet. Doch so weit ist es noch nicht.
    »Ich habe leider nichts Neues in Sachen Trümmermörder. Aber ich führe auch noch andere Ermittlungen und bitte Sie dafür um Unterstützung. Amtshilfe gewissermaßen, diskret.«
    »Diskretion ist das Wesen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen«, antwortet Ehrlich und lächelt fein.
    Er ist neugierig, denkt Stave. Gut so. Andererseits hoffentlich nicht zu neugierig.
    »Ich bitte um Akteneinsicht. Ich möchte Ihnen aber noch nicht sagen, um welchen Fall es sich handelt. Ob es überhaupt ein Fall ist. Ich stehe noch ganz am Anfang meiner Ermittlungen«, sagt der Oberinspektor und hofft dabei, dass sein Gesicht die Lüge nicht verrät.
    »Geben Sie mir wenigstens eine ungefähre Vorstellung davon, in welche Richtung sich Ihre Ermittlungen bewegen? Ist es politisch?«
    Stave denkt nach. »Möglich, in einem weiteren Sinn. Hauptsächlich jedoch handelt es sich um unauffällige Ermittlungen im Kollegenkreis.«
    Ehrlich blickt ihn aus seinen hellen, wässrigen Augen an.
    »Kollegen, die neben Ihnen mit den Ermittlungen des Trümmermörderfalls betraut sind?«
    »Würde ich das verraten, kämen Sie dem Betreffenden bereits auf die Spur. Es muss ganz vertraulich bleiben.«
    »Schön. Welche Akten?«
    »Oradour. Eine Stadt in Frankreich, in die im Juni 1944 die SS einrückte.«
    »Ich habe davon gehört«, unterbricht ihn der Staatsanwalt. »Das Massaker.«
    Dann mustert er ihn lange. Eine Minute vergeht, Stave fühlt sich wie ein Prüfling. Unbehaglich rutscht er auf dem Stuhl hin und her, während ihn Ehrlich nachdenklich anstarrt.
    »Das Büro nebenan ist heute unbesetzt«, sagt er schließlich. »Ich lasse Ihnen die Akten dort hineinbringen. Sie können sie studieren, aber nicht mitnehmen. Viele sind es nicht.«
    »Es gab keine Ermittlungen?«
    »Doch, aber keine Täter. Schon unmittelbar nach dem Massaker wollte Marschall Rommel ein Kriegsgerichtsverfahren einleiten, Hitler persönlich hat das verhindert. Dann stellte sich das Problem nicht mehr: Die SS-Einheit wurde Ende Juni ’44 bei Kämpfen gegen die Alliierten aufgerieben. Vollständig.«
    »Keine Überlebenden?«
    Ehrlich lächelt dünn. »Bis vor ein paar Minuten dachte ich: keine Überlebenden. Nun allerdings kommen mir Zweifel.«
    Stave lächelt nun auch. »Vielen Dank, Herr Staatsanwalt.«
    »Halten Sie mich auf dem Laufenden. Wenn Sie etwas finden, will ich es wissen. Und wenn Sie nichts finden, auch.«
    Stave genießt kurz darauf die Stille im Büro, das so warm ist, dass er den Mantel ablegen kann. Ehrlich hat ihm einen Tee hereingereicht, den er langsam schlürft. Eigentlich ist das Leben doch schön, denkt er.
    Nach einiger Zeit bringt ihm ein bebrillter Archivar in grauem Kittel einen Leitz-Aktenordner ins Zimmer. Der Oberinspektor zwingt sich, nicht enttäuscht zu sein: Der Ordner ist leicht.
    Stave arbeitet die Akten rasch durch. Die Geschichte des Massakers kennt er schon, die Angaben des Mädchens aus dem Warburg-Kinderheim stimmen mit dem überein, was er hier liest. Dann überfliegt er eine hektographierte Liste aller Soldaten, die zur SS-Einheit gehörten. »Herthge, Hans« steht dort, und das überrascht ihn nicht. Einen »Maschke« hingegen gibt es nicht.
    Eine weitere Liste, viel kürzer: die Namen der Überlebenden. Der Oberinspektor überfliegt sie: »Desaux, Joseph; Delluc, Yvonne; Fouché, Roger; Magaldi, Anouk.« Noch wenige Einträge mehr, er kopiert alle Namen, obwohl er eigentlich nur den einen braucht: Anouk Magaldi. Das reicht, um die Achtjährige vor Gericht glaubwürdig erscheinen zu lassen.
    Dann folgen wenige Zeugenaussagen, dazu ein Auszug aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht vom 30. Juni

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