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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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von der Barackensiedlung entfernt zu sein, um nicht mehr entdeckt zu werden. Dann schreitet er schneller aus, biegt auf die breite Wandsbeker Chaussee ein, rennt beinahe. Er hat das Gefühl, als würde er schweben. Selbst sein verletztes Bein schmerzt nicht mehr.
    Leben!, denkt er. Ich lebe wieder!
    Da wirft ihm jemand von hinten eine dünne Schlinge um den Hals und zieht zu.

Trümmermörder
    Stave röchelt, will schreien, Atem holen, weglaufen. Nichts. Er ist gefangen in einem fürchterlichen Schraubstock, der ihm den Hals zudrückt. Bilder vom Tisch des Pathologen flackern vor seinem inneren Auge auf, zerquetschter Kehlkopf, dünner, braunroter Strich am Hals. Blind und panisch schlägt er um sich. Seine Fäuste rauschen durch die Luft, berühren höchstens ein- oder zweimal einen Fetzen Stoff hinter seinem Rücken. Der trägt einen dicken Mantel, denkt Stave. Nimm dich zusammen! Die Pistole im Holster! Doch das ist unter seinem eigenen Mantel, den er zugeknöpft hat, nachdem er die Nissenhüttensiedlung verlassen hatte. Er zerrt an den Knöpfen, bekommt keinen auf. Das Würgegefühl im Hals ist überwältigend, sein Schädel dröhnt, als würde er gleich platzen, seine Beine zittern. Er sinkt in die Knie. Gleich bin ich weg, fährt es ihm durch den Kopf. Er gibt das Zerren an den Knöpfen auf. Wieder reißt er die Fäuste nach hinten hoch. Der Angreifer muss inzwischen über ihm stehen – die perfekte Position. Staves blinde Schläge werden schwächer, spastischer.
    Etwas Hartes.
    Die Winterschuhe für seinen Sohn! In der Außentasche seines Mantels. Stave fasst hinein, packt die harten Sohlen, reißt die Schuhe heraus und drischt damit nach hinten.
    Ein dumpfes Grunzen über ihm. Er hat den Angreifer am Knie getroffen. Der ist überrascht, taumelt, lockert seinen Griff.
    Stave reißt sich hoch und wirft sich nach vorne. Der Draht schneidet in seinen Hals, Blut strömt ihm in den Kragen – doch der Würgedruck wird schwächer. Er zwingt seine Linke unter die Schlinge, reißt den Draht weiter auf. Noch mehr Blut, nun auch an der Hand. Doch er saugt Luft ein, endlich. Mit der Rechten drischt er immer weiter nach hinten.
    Er will schreien, bringt aber nur ein Krächzen hervor.
    Atmen. Schläge. Ein Tritt nach hinten.
    Da gibt der Angreifer auf.
    Plötzlich ist der Druck am Hals weg. Steine knirschen, hastige Schritte.
    Rote Schleier tanzen vor Staves Augen, während er herumwirbelt, die Schlinge noch am Hals. Ein Schatten vor einer Trümmerwand. Zitternde Hände am Mantel. Verdammt, verdammt, verdammt! Stave reißt den Mantel auf, die Knöpfe fliegen davon. Der kalte Stahl des Pistolengriffs. Er zerrt die FN 22 aus dem Holster.
    Der Knall des Schusses dröhnt in seinem Kopf, hallt weit durch die Ruinen. Noch einer. Noch einer. Stave, halbblind und besinnungslos zornig, schießt das Magazin leer, irgendwo in Richtung des Schattens.
    Stille.
    Der Oberinspektor sinkt röchelnd im Mondlicht zusammen, zerrt sich die Schlinge vom Hals, atmet tief ein, tief aus, tief ein. Rasendes Herz. Zitternde Hände. Doch sein Hirn arbeitet wieder.
    Der Trümmermörder, denkt er.
    Stave rafft sich auf, taumelt zu der Stelle zwischen zwei halb mannshohen Mauern, zwischen denen er den Schatten verschwinden sah. Ein Fleck am Boden.
    Stave beugt sich hinab. Blut. Ich hab ihn erwischt, bemerkt er triumphierend. Er blickt sich um: zwei Trümmergrundstücke, ein tückisches Gewirr aus Schutt, Stahlträgern, verdrehten Kabeln, Glasscherben, nirgendwo ein Pfad.
    Wieder ein Tropfen.
    Er ist über den Schutt geklettert. Stave folgt der Blutspur, rutscht mit seinem verletzten Bein ab, flucht leise. Er steckt die Schuhe wieder in die Manteltasche, behält die Pistole in der Rechten. Ihr Magazin ist leer, aber sie ist hart genug, um sie jemandem über den Schädel zu ziehen. Zwei Ziegel lösen sich unter seinen Sohlen, rollen mit leisem Klacken einen Schutthang hinunter. Zementstaub. Die Augen tränen.
    Hinter den Trümmergrundstücken das fast dreißig Meter hohe Geviert eines ausgebombten Mehrfamilienhauses: alle Außenwände brandschwarz, die Fensteröffnungen leer, kein Dach, keine Zwischendecke, Trümmerberge im Innern. Ein Schild neben der zerrissenen Türöffnung, in der nur der obere Teil einer Pforte in der Angel hängt: »Betreten verboten! Einsturzgefahr!«
    Die Blutspur weist hindurch.
    Ich kriege dich, denkt Stave und tritt vorsichtig ins Innere des ausgebrannten Hauses.
    Finsternis. Das Mondlicht fällt nur noch in Streifen durch

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