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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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flucht in Gedanken: dämliche britische Uniform. Alleine hätte er unauffällig unter Dutzenden umherschlendern können. So aber sieht er hastige Bewegungen, wenn Zigaretten oder Schnaps oder weiß Gott was in Mänteln verschwindet, dann drehen sich Frauen und Jungs weg, niemand sieht sie an, ein paar Kerle verschwinden in Nebengassen. Die Einzigen, die sich ihnen schließlich doch nähern, sind zwei junge Mädchen. Achtzehn Jahre, schätzt Stave, nicht einmal erwachsen. Blond, Iltispelzchen am Hals, falsches Lächeln. Noch ein paar Dutzend Meter, dann werden sie bei ihnen sein.
    Der Oberinspektor geht die Reeperbahn einige Schritte entlang, zunehmend verstimmt. Die Davidwache ist unversehrt geblieben, zum großen Ärger aller Hamburger Luden. Das »Zillertal« hat den Bombenhagel überstanden und noch wenige andere Etablissements: »Onkel Hugos Speiserestaurant«, das »Alkazar« und das »Kamsing«, einige Dutzend Meter weiter bis zur Talstraße, Hamburgs einziges Chinarestaurant, das selbst in diesen Zeiten, aus welch dunklen Quellen auch immer, scharfe Suppen und exotisch gewürzten Reis anbietet. Stave spürt den Hunger, wenn er an das »Kamsing« denkt. Und dann fasst er einen Entschluss.
    »Das führt zu nichts«, verkündet er den beiden. »Die leichten Mädchen kommen zu uns, aber alle anderen verduften.«
    »Besser als umgekehrt«, bemerkt MacDonald und lächelt die Bordsteinschwalben an.
    Der würde mir hier am hellichten Tag verlorengehen, wenn ich nicht aufpasse, denkt Stave.
    »Wir teilen uns«, ordnet er an. »Herr Lieutenant, Sie und ich gehen in die Etablissements und quetschen die dortige Klientel aus. Maschke, Sie bleiben auf der Straße und fragen die Damen und ihre Beschützer. Wir treffen uns in zwei Stunden wieder vor der Davidwache.«
    Damit holt Stave den britischen Offizier aus dem Rampenlicht. Er hat keine Lust mehr darauf, dass ihn alle anstarren. In den Kneipen und Puffs wird MacDonald zwar auch auffallen, doch kann sich da kaum jemand schnell verdrücken. Maschke allein wird die Mädchen und ihre Kerle auf der Reeperbahn unauffälliger befragen können. Und nebenbei muss er zwei eisige Stunden draußen bleiben, während der Engländer und er sich zumindest von Etablissement zu Etablissement aufwärmen können. Zum ersten Mal seit Stunden lächelt Stave.
    Mit einem Nicken verabschieden sie sich von Maschke, dann drehen sie ab, bevor die beiden Blondinen nahe heran sind. Ein Mädchen blickt ihnen enttäuscht nach, die andere sieht aus, als wolle sie ihnen einen wenig freundlichen Spruch hinterherrufen. Dann jedoch weitet sie erschrocken die Augen.
    »Bonjour, Mesdemoiselles«, flötet Maschke liebenswürdig, »vous avez la bonne chance de trouver un vrai cavalier.«
    Das Mädchen hat Maschke von der Sitte erkannt, denkt Stave. Zu spät, mein Täubchen. Und er fragt sich zerstreut, wo sein Kollege so gut Französisch gelernt hat. Stave sieht noch, wie Maschke seinen Polizeiausweis aus der Manteltasche zückt und ihn den beiden Damen unter die Näschen hält. Dann hat er MacDonald zum »Zillertal« bugsiert und öffnet die Tür.
    Abgestandene Luft, der kalte Hauch von altem Tabak, billigem Schnaps und Kohlsuppe. Die meisten Tische sind unbesetzt. An einem sitzen vier ältere Männer mit geröteten Gesichtern, Wassergläser vor sich, in denen eine farblose Flüssigkeit schimmert. Zwei müde Mädchen am Nebentisch, die so tun, als hörten sie die anzüglichen Bemerkungen der Männer nicht, und ihre mageren Hände an Emailletellern wärmen, in denen Kohlsuppe dampft. Zwei junge Männer an einem Tisch im Hintergrund des Raumes: teure Mäntel, Vorkriegsware, gute Schuhe. Sie rauchen Ami-Zigaretten, blicken kurz zu Stave und MacDonald hin, drehen beiden dann den Rücken zu und flüstern. Schwarzhändler.
    An der Theke ein Wirt, der noch nicht alt ist und der einmal fett war; nun hängen ihm Hautlappen von den Wangen. Hastig räumt er unmarkierte Flaschen vom Tresen und verstaut sie in einem Schapp. Der Alkoholausschank wird von den Behörden streng reglementiert, doch jedermann weiß, dass die Kneipiers von St. Pauli geschmuggelten oder selbstgebrannten Schnaps als »Sprudelwasser« anbieten.
    Nicht mein Problem, denkt sich Stave und geht auf den Wirt zu, dessen Hautlappen noch ein wenig fahler werden als zuvor. Er zieht seinen Ausweis hervor, dann hält er dem Mann das Foto der Toten vor das Gesicht. »Schon mal irgendwo gesehen?«, fragt er.
    Der Mann starrt ihn an, dann den Ausweis, das Bild

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