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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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und schließlich MacDonald, von dem er sich wohl so etwas wie eine Rettung erhofft. Der Brite jedoch lächelt nicht mehr, vielmehr stellt Stave fest, dass der Lieutenant kalt zurückstarrt. Wie ein Henker, denkt er und fragt sich auf einmal, ob allein MacDonalds Deutschkenntnisse der Grund dafür sind, dass er zu den Ermittlungen abkommandiert worden ist. Oder ob er noch ganz andere Fähigkeiten hat. Der Wirt gibt schließlich auf. Konzentriert und ein wenig angewidert starrt er auf das Foto, dann schüttelt er den Kopf.
    »Die kenne ich nicht. Wer ist denn das?«
    »Danke«, sagt Stave, nickt knapp und wendet sich ab.
    »Fragen wir mal die Jungs mit den Zigaretten«, flüstert er MacDonald zu. »Aber achten Sie darauf, dass währenddessen die beiden Damen brav ihre Suppe weiterlöffeln. Sie sollen nicht verschwinden.«
    »Und wenn eine auf die Toilette geht?«
    »Dann gehen Sie hinterher.«
    Stave hat den Tisch an der Rückseite des Raumes erreicht. Die zwei Schwarzhändler drehen ihm noch immer den Rücken zu, obwohl sie ihn sicherlich längst bemerkt haben.
    Stave zieht ungefragt einen Stuhl heran und setzt sich zu ihnen. MacDonald bleibt einen Schritt hinter ihm stehen.
    Endlich blickt der Oberinspektor in zwei Gesichter: gut rasiert, gut genährt, spöttisches Lächeln, harte Augen. Kerle, die kaum zwanzig sind, die aber im Krieg schon alles gesehen haben. Totschlägerfratzen. Stave muss den Impuls unterdrücken, die beiden Männer einfach zu verhaften. Wieder zückt er nur Ausweis und Foto, zeigt beides herum.
    »Kennen Sie die Dame?«, fragt er höflich.
    Die beiden Männer sind eine Sekunde lang so verblüfft, dass ihnen das Grinsen aus den Gesichtern fällt. Sie haben vom Polizisten etwas anderes erwartet: Fragen nach Zigaretten, Geld, Medikamenten, die üblichen Schwarzmarktverhöre. Stave sieht, wie sich ihre Körper entspannen.
    »Nein«, sagt der größere der beiden. »Tut mir leid«, setzt er sogar hinzu.
    Sein Begleiter lässt sich etwas mehr Zeit, doch auch er schüttelt den Kopf. »Kein Mädchen von der Reeperbahn, das ist mal sicher, Herr Oberinspektor.«
    »Und eine Kundin?« Stave verzichtet darauf zu ergänzen: vom Schwarzmarkt.
    Die Männer wechseln einen raschen Blick, dann entscheiden sie sich, seine Frage zu verstehen. »Nicht leicht, da den Überblick zu behalten, wenn Sie verstehen, was ich meine«, antwortet der Größere. »Also kann ich nicht hundertprozentig sicher sein. Aber ich denke nicht, dass ich diese Frau schon einmal gesehen habe.«
    »Die war sicherlich mal hübsch«, ergänzt der andere, als ob das irgendetwas damit zu tun hätte.
    Stave schließt die Augen. Er glaubt den beiden Schwarzhändlern, er glaubt auch dem Wirt – die Sache fängt nicht gut an. »Danke«, sagt er freundlich. Als er aufsteht, merkt er, wie müde er ist. Am liebsten wäre er mit den beiden in der Runde sitzen geblieben. Absurd.
    »Fragen wir noch die Mädchen. Und dann nichts wie raus hier«, zischt er MacDonald zu.
    »Und die Trinker?«, fragt der Brite.
    »Gut, Sie fragen die vier Helden, ich die beiden Mädchen.«
    »Umgekehrt wäre es mir lieber«, flüstert MacDonald, doch er lächelt dünn und setzt sich zu den Männern mit den Wassergläsern in Bewegung.
    »Was gibt’s denn, Herr Wachtmeister?«, sagt die ältere der beiden Frauen, als Stave zu ihnen tritt.
    Sie hat mich beobachtet, denkt er, und sie weiß längst, dass ich kein Freier bin. Kluges Mädchen. Er starrt sie einen Moment lang wortlos an.
    Die Ältere grinst frech zurück, die Jüngere wird verlegen. Beide sind Anfang, Mitte zwanzig. So alt wie die Tote.
    »Ihr Kollege da ist ein ganz Eifriger«, sagt die Ältere und deutet mit der Rechten zum Fenster.
    Stave folgt der Bewegung ihrer Geste, blickt hinaus und erkennt Maschke, der sich vor einer unglücklich aussehenden, älteren Prostituierten aufgebaut hat.
    »Den Roten da kenne ich. Der verhört jede Frau, die auch nur einen Strich Lippenstift im Gesicht hat, weil er keine elegante Dame von einem Straßenmädchen unterscheiden kann. Irgendwann wird er noch die Frau des Bürgermeisters verhaften. Aber Sie kenne ich nicht – und Ihren englischen Begleiter auch nicht.«
    Stave verzichtet auf seinen Ausweis, nennt auch seinen Namen nicht, zieht nur das Foto hervor. Die Ältere bleibt ungerührt, die Jüngere wird fahl und hält vor Schreck eine Hand vor den Mund.
    »Welches Schwein hat das getan?«, fragt die Ältere. Ihr Akzent ist breit, ihre Aussprache schleppend. Ostpreußen,

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