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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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übertrumpfen zu können. »Kein Zahnarzt hat dem Alten jemals zwischen die Kiefer geschaut. Und kein Arzt untenrum.«
    Als ihn MacDonald fragend anblickt, feixt er.
    »Mit dem Leistenbruch war er bei keinem Krankenhaus und keinem Onkel Doktor in Hamburg, das ist ziemlich sicher.«
    »Es sei denn, er war bei einem Arzt, der den Krieg nicht überlebt hat«, bemerkt Stave.
    »Beim Aufräumungsamt war ich auch«, fährt Maschke ungerührt fort und schlägt einen schmuddeligen Notizblock auf. »Wussten Sie, dass in Hamburg mehr als 250000 Wohnungen und Häuser zerbombt worden sind? 3500 Firmengebäude, 277 Schulen, 24 Krankenhäuser, 58 Kirchen. 43 Millionen Kubikmeter Trümmer. Man könnte meinen, die Jungs vom Aufräumungsamt sind stolz auf ihre Zahlen.«
    »Das sichert ihnen auf zwanzig Jahre ihren Job«, erwidert Stave verdrießlich. »Doch was hat das mit Plünderern zu tun?«
    »Das zeigt nur, dass es viel zu plündern gibt. Die Beamten vom Aufräumungsamt sagen aber, dass es keine Revierkämpfe von Banden gibt, die sich Schätze aus den Ruinen holen wollen. Zumindest nicht jetzt. Seit es so kalt ist, sind Steine, Betonplatten und all dieser Dreck so fest zusammengefroren, dass es sich für die Profis kaum lohnt, auf Beutezüge zu gehen. Die warten das Tauwetter ab. Momentan sind nur Amateure zwischen den Ruinen unterwegs, die nach einem Meter Ofenrohr, einer Herdplatte oder nach Brennholz suchen. Zu wenige, um sich in die Quere zu kommen. Also nicht so viele Plünderungen wie noch vor ein paar Monaten – und so gut wie keine Gewaltdelikte, die mit Plünderungen zu tun haben. Was immer dem Mädchen und dem Alten widerfahren ist: Nichts spricht dafür, dass es irgendetwas mit Plünderungen zu tun hat.«
    »Schön«, sagt Stave automatisch, bevor er merkt, wie dumm das in diesem Zusammenhang klingt. Er seufzt und reibt sich die Stirn. Ein Aspirin wäre jetzt nicht schlecht, aber das gibt es auch nur auf dem Schwarzmarkt.
    MacDonald verabschiedet sich für den Tag. Stave hält den Kollegen von der Sitte unter dem Vorwand zurück, mit ihm noch einmal die Ergebnisse vom Aufräumungsamt durchzugehen.
    »Was gibt es da durchzugehen?«, murmelt Maschke, als der Brite verschwunden ist.
    »Reine Routine«, antwortet Stave – der Spruch, der jeden erfahrenen Kriminellen alarmiert. Und jeden Krimsche auch.
    »Stimmt etwas nicht?«
    Stave könnte sich in den Hintern treten. Er zwingt sich ein Lächeln ins Gesicht, denkt hektisch nach. »Ich will nur auf Nummer sicher gehen. Diese Ermittlungen sind ja nicht Ihr Spezialgebiet, Maschke. Und Sie sind ja auch noch nicht allzu lange bei diesem Verein.«
    Der Kollege nickt, nur halb versöhnt.
    Stave tut so, als sichte er Maschkes Notizen. Selbstverständlich findet er nichts Interessantes. »Sie sind 1946 aus der Polizeischule gekommen?«, fragt er und bemüht sich um einen alltäglichen Ton in der Stimme. »Haben Sie bei Ihrer Ausbildung eine Runde durch alle Behörden der Stadt gedreht? Zu meiner Zeit musste ich das tun – auch wenn es da natürlich noch kein Aufräumungsamt gab.«
    Maschke versucht sich an einem Nicken und Kopfschütteln zugleich, gibt dann auf. »Ja«, sagt er, »ich bin Abschlussjahrgang ’46. Aber nein, die meisten Behörden habe ich noch nie von innen gesehen. Kann nicht sagen, dass das ein großer Verlust ist.«
    »Was haben Sie eigentlich vor der Polizeischule gemacht?«, fragt Stave und gibt ihm das Notizheft zurück. Harmlos genug, diese Frage, findet er. Doch Maschke zuckt zusammen, als habe er ihm ein unsittliches Angebot gemacht. Ein nervöser Tick am linken Auge, Röte auf den Wangen.
    Stave hält den Atem an. Das war zu direkt.
    Nach einem Augenblick fängt Maschke sich jedoch wieder, lächelt etwas gequält und wedelt mit der Hand durch die Luft. »Was wohl?«, murmelt er. »Ich war Soldat. Kriegsmarine, U-Boot-Fahrer. Frankreich. 1940 rein nach Frankreich, auf die U-Boot-Basen am Atlantik. 1944 raus aus Frankreich. Dazwischen Fahrten mit dem U-Boot von Brest aus und monatelange Landgänge. Un temps pas mal, même pour un boche comme moi. Habe wenigstens mein Schulfranzösisch aufpoliert. Und kenne mich jetzt mit Rotweinen ganz gut aus – nicht, dass mir das zurzeit viel nützt.« Er lacht.
    Stave ringt sich ebenfalls ein Lächeln ab. »Gute Arbeit«, murmelt er und deutet auf das Notizheft. »Auf Wiedersehen.«
    Er hat schon einige U-Boot-Fahrer-Geschichten gehört: Enge und Feuchtigkeit im stählernen Schiffsleib. Endlose Wachen auf dem

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