Trümmermörder
unterstützen. Der Offizier gibt ein paar Daten ein, dreht an einigen Rädern – und schon ist das Ergebnis da. Ungefähr so wie die Rechenmaschinen in Kontoren, pflegte mein Mann zu sagen, nur komplizierter. Er lieferte seine Geräte an Blohm und Voss, die Werft baute sie in alle U-Boote ein, die bei ihr vom Stapel liefen.«
»Ein gutes Geschäft, vermute ich«, murmelt Stave. »Zumindest bis zum Mai ’45.«
Sie blickt ihn gequält an. »Nach dem«, sie sucht ein passendes Wort, »Zusammenbruch hielt mein Mann trotz größter Schwierigkeiten seine Firma zusammen.«
»Die meisten Schiffe, die von U-Booten versenkt wurden, waren englisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die neuen Herren unserer Stadt übermäßiges Interesse daran hatten, ein Unternehmen zu erhalten, das dazu beitrug, ihre halbe Flotte auf den Grund des Meeres zu schicken.«
Frau Hellinger hüstelt. »Mein Mann hat die Produktion selbstverständlich umgestellt. Mechanische Geräte sind mechanische Geräte, das war sein Motto. Eigentlich war ihm egal, was er produzierte – es musste nur kompliziert genug sein, um ihn zu interessieren.«
»Was fertigt die Firma heute?«
»Spezielle Zeitnehmer: Stechuhren für Büros und Fabriken. Uhren, die Maschinen steuern.«
»Und das wird heute schon wieder gekauft?«
»Aber ja: Viele Firmen fahren ja, wenn auch mühsam, ihre Produktion wieder hoch. Und außerdem hängen unsere Uhren sogar in den Kasernen und Clubs der Briten.«
So sehen Sieger aus, denkt Stave und fühlt sich plötzlich, als ziehe ein nasser Ledermantel seine Arme und Schultern nieder. Egal, wie Kriege ausgehen: Sieger machen Geschäfte. Sie haben, wortwörtlich, Kohle. Sie wohnen in Villen. Das Einzige, das nicht dazu passt: Normalerweise verschwinden sie nicht spurlos.
»Was geschah am 13. Januar?«, fragt er.
»Ich weiß es nicht genau. Am Abend davor gingen wir erst spät zu Bett. Mein Mann ist immer ein Frühaufsteher gewesen, ihm machen kurze Nächte nichts aus. Er war zeitig aufgestanden, das habe ich im Halbschlaf noch mitbekommen. Dann bin ich wieder tief eingeschlafen. Als ich endlich aufwachte, es war Vormittag, vielleicht zehn Uhr, war er weg.«
»Weg?«
Ein Hauch von Rot überzieht Frau Hellingers Wangen. »Mein Mann und ich sind seit dreißig Jahren verheiratet. Da kennt man sich gut, glauben Sie mir. Mein Gatte stand oft vor mir auf, doch immer – immer! – verabschiedete er sich von mir, bevor er das Haus verließ. Und wenn er morgens nicht zu seiner Firma ging, sondern zu einem Kunden reiste, dann sagte er es mir.«
»Aber diesmal war das Haus leer, als Sie aufstanden?«
»Ja. Er war einfach fort.«
»Hatte er etwas mitgenommen? Geld?«
Nun sind ihre Wangen dunkelrot. »Nicht, dass ich wüsste. Wir haben nicht viel Bargeld im Haus. Und, nein, es fehlen keine Wertgegenstände. Keine, die nicht schon vorher fehlten, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Stave blickt auf die hellen Stellen an den Wänden und nickt, starrt dann auf seine Notizen, die er sich beim Suchdienst gemacht hat.
»Sie gaben an, dass er seinen Wintermantel trug, Wolle, marineblau. Dazu Hut, Schal, Handschuhe.«
»Zumindest fehlen die in der Garderobe. So kleidete er sich winters immer.«
»Und auch seine Aktentasche ist fort.«
»Die nahm er jeden Morgen zur Arbeit mit.«
»Was enthielt sie?«
Frau Hellinger zuckt mit den Achseln. »Unterlagen, vermutlich. Ich habe nie nachgesehen.«
»Pläne? Verträge?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
Stave grübelt darüber nach, ob jemand, der Vorhalterechner und Präzisionsuhren baut, in der Produktion dünne Drähte braucht. Drahtschlingen. »War die Haustür abgeschlossen, als sie an jenem Morgen das Fehlen Ihres Gatten bemerkten?«
Frau Hellinger sieht ihn überrascht an, denkt nach. »Zugezogen, das ja. Aber nicht abgeschlossen.«
»Vielen Dank«, murmelt Stave und klappt sein Notizheft zu.
»Da ist noch etwas.«
Er blickt auf.
Sie zögert, holt tief Luft. »Als ich anfing zu suchen, da entdeckte ich auf dem Fußboden unter der Garderobe – dort, wo sonst sein Mantel hängt – einen zerknüllten Zettel. Ich beachtete ihn zuerst gar nicht, dachte eher, dass unsere Putzfrau wohl nachlässig wird. Doch später, als ich meinen Mann nirgends finden konnte und ich nach irgendwelchen Hinweisen suchte, hob ich das Papier auf.«
Sie fischt einen kaum handgroßen Zettel aus der Schublade einer Kommode. Kariertes Papier, zerrissene Ränder – ein hastig aus einem Heft
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