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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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Vielleicht ergibt sich da irgendein Muster.« Stave lächelt dünn.
    Brems nickt langsam, ihm geht ein Licht auf, plötzlich ist er interessiert. »Eine Kollegin von mir bearbeitet diese Art Neueingänge. Das kann in den letzten Wochen nicht viel gewesen sein. Ich frage sie.«
    Er eilt aus seinem Büro und erscheint zehn Minuten später wieder, mit einer Karteikarte in Händen. »Die einzige Meldung«, verkündet er. »Vom 13. Januar.«
    »Eine Woche vor dem ersten Leichenfund.«
    Stave nimmt die Karte in die Hand. Dr. Martin Hellinger, geboren 13. März 1895 in Hamburg-Barmbek, Industrieller, wohnhaft in Hamburg-Marienthal, als vermisst gemeldet von seiner Frau Hertha. Daneben ein Foto, offenbar aus einem alten Reisepass: schütteres Haar, wahrscheinlich grau, Nickelbrille, fleischige Wangen, ein Hals, der über den engen Hemdkragen quillt.
    »Der ist ganz sicher weder Soldat noch Flüchtling. Warum nehmen Sie den überhaupt in Ihre Kartei auf?«
    Brems hüstelt. »Der Kollegin war langweilig. Und sie hatte Mitleid mit Frau Hellinger. Also hat sie eine Akte angelegt und Anfragen geschickt. Richtung England.«
    »England? Und sonst noch?«
    »Amerika. Aber warum nur dort, das weiß ich nicht. Frau Hellinger sagte, möglicherweise sei ihr Mann dort. Vielleicht entführt.«
    »Und damit geht sie nicht zur Polizei?«
    Brems hustet nun, sagt aber nichts.
    Stave notiert sich alle Angaben, die auf der Karteikarte stehen. Marienthal ist ein Viertel in der Nähe seiner Wohnung. Würde nicht schaden, dort einmal an die Tür zu klopfen.
    »Danke«, knurrt er.
    »Bis zum nächsten Mal, Herr Oberinspektor. Wir melden uns, wenn wir was Neues hören. Von Ihrem Sohn, meine ich.«
    In der Zentrale trifft er Maschke und MacDonald. Stave lässt die beiden zuerst reden. Der Beamte von der Sitte berichtet, dass bei keiner Ausgabestelle eine Lebensmittelkarte liegen geblieben sei. Und auch MacDonald hatte keinen Erfolg, das ermordete Mädchen sei offenbar bei keiner Schule Hamburgs bekannt gewesen, zumindest habe kein befragter Lehrer die Tote identifizieren können.
    »Wir werden neue Plakate drucken müssen«, sagt Stave müde. »Wir müssen die Bevölkerung davor warnen, sich nicht von Unbekannten mitnehmen zu lassen. Und keine verdächtigen Kleidungsstücke von Unbekannten zu kaufen.«
    »Was sind verdächtige Kleidungsstücke?«, fragt Maschke.
    »Weiß ich auch nicht. Die erste Warnung richtet sich an die Bevölkerung. Die zweite soll den Täter nervös machen, ihm zumindest das Geschäft vermiesen, falls er ein Raubmörder ist.«
    »Falls er einer ist.«
    Als die beiden Männer sich schon zur Tür wenden, schlägt Stave sein Notizheft auf. Er erzählt von seinem Abstecher zum Suchdienst und trägt dann die wenigen Daten von Dr. Martin Hellinger vor.
    »Ich werde seine Frau befragen.«
    Maschke starrt ihn mit ausdruckslosem Blick an. »Ich wüsste nicht, wie uns das weiterbringen soll«, murmelt er.
    MacDonald ist rot geworden. Einen Augenblick lang glaubt der Oberinspektor, dass ihn der Name des Vermissten in Verwirrung gestürzt hat. Dann jedoch bemerkt er, dass seine Bürotür von dem Briten bereits einen Spaltbreit geöffnet worden ist und einen Blick auf Erna Berg freigibt, die mit dem Rücken zu ihnen vor einem Regal steht und Akten aufräumt. Verliebt und glücklich, denkt Stave – und spürt die kalte Nadel des Neides in seinem Herzen. »Ich werde morgen früh bei Hellingers Frau vorbeigehen«, verkündet er.
    »Brauchen Sie mich dafür?«, fragt Maschke, und es ist klar, was er von der Sache hält.
    »Nein«, antwortet der Oberinspektor nicht sonderlich betrübt. »Und Sie, Herr Lieutenant?«
    MacDonald ist immer noch rot. »Ich habe morgen bis zur Mittagszeit eine dienstliche Besprechung, tut mir leid.«
    Die »dienstliche Besprechung« heißt Erna Berg, ist verheiratet und meine Sekretärin, denkt Stave, doch er ringt sich ein Lächeln ab.
    »Gut«, sagt er, »dann mache ich es alleine. Nur um sicherzugehen.«

Ein Zettel und eine Zeugin
Mittwoch, 5. Februar 1947
    Stave starrt aus den vereisten Scheiben seiner Wohnung. Früher Morgen. Es lohnt sich nicht, zur Zentrale zu gehen und dann fast den ganzen Weg bis nach Marienthal zurückzugehen, um mit der Frau des Vermissten zu sprechen. Andererseits kann er bei ihr schlecht schon um sechs Uhr morgens klingeln wie einst die Gestapo. Also zählt Stave die Kristalle am Rand der dick vereisten Mitte des Fensters, haucht dagegen und versucht vergebens, die Kälte und das

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