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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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laut.
    »Ja.«
    »Das ist weit weg von der Lappenbergsallee.«
    »Ich habe mich beim Plündern spezialisiert. Die meisten suchen Holz oder Metallschrott, Öfen oder elektrische Bauteile. Ich suche Antiquitäten.«
    Der Oberinspektor traut seinen Ohren nicht. »In zerbombten Mietshäusern von einfachen Leuten?«
    »Selbstverständlich sind das keine Villen, in denen Kunstsammlungen an den Wänden hingen. Aber in jeder Wohnung gab es mindestens ein Familienerbstück. Und jedes Trümmerfeld war einmal ein Häuserblock mit Hunderten Wohnungen. Sie glauben nicht, was man dort alles findet, wenn man ein geschultes Auge hat: alte Familienbibeln. Tassen aus Meißener Porzellan. Orden aus dem Kaiserreich. Silberne Kaffeelöffel. Großvaters Taschenuhr.«
    »Und Sie haben dieses geschulte Auge.«
    »Alte Wertsachen gehörten zu den Dingen, mit denen ich groß geworden bin. Und über die letzten Jahre habe ich mein Auge geschult, solche Schätze, verschlammt, zerbeult, unscheinbar, zwischen Ziegeln und Schutt zu entdecken.«
    »Und dann?«
    »Ich säubere meine Funde. Schreibe auf einen Zettel, was ich darüber weiß, Alter, Herkunft und solche Sachen – und dann verkaufe ich sie an britische Offiziere. Oder an Hamburger Kaufleute, die günstig durch den Krieg gekommen sind.«
    Stave denkt plötzlich an das Wort »Bottleneck«, Flaschenhals. »Verkaufen Sie auch wertvolle Flaschen? Altes Glas? Parfümflacons oder dergleichen?«
    Sie blickt ihn überrascht an, schüttelt den Kopf. »Nein. Das findet man normalerweise nicht in diesen Trümmern. Nicht unbeschädigt zumindest.«
    »Kennen Sie einen Dr. Martin Hellinger? Industrieller aus Hamburg-Marienthal? Ein Kunde von Ihnen?« Er zeigt ihr sein Foto.
    »Nie gesehen. Den Namen habe ich auch noch nie gehört. Warum fragen Sie?«
    »Nur ein Gedanke. Hatten Sie etwas auf dem Schwarzmarkt verkauft, als wir Sie festnahmen? Sie hatten über 500 Reichsmark dabei.«
    »Ich hatte gerade vor dem Garrison Theatre neben dem Hauptbahnhof einen britischen Offizier getroffen und ihm ein Ölbild verkauft. Bunter Kitsch, deutsche Tannen, deutsche Wipfel, Sie kennen das. Aber ihm gefiel es. Ich war auf dem Heimweg, als ich in Ihre Aktion hineingeriet. Wirklich Zufall.«
    Stave macht sich eine Notiz: MacDonald soll diese Geschichte abklopfen. »In den Ruinen neben der Lappenbergsallee haben Sie also am 20. Januar Kitschbilder und Großvateruhren gesucht?«
    »Irgendwie muss man überleben. Ich war das erste Mal dort. Ein ziemlich weiter Weg bis zum Eilbekkanal, aber ich hoffte, dass ich dort lohnende Funde machen würde.«
    »Haben Sie?«
    »Ich hatte keine Zeit mehr dazu: Ich war kaum da, als ich zwischen zwei Mauerresten einen Schatten sah.«
    »Einen Schatten?«
    »Eine Gestalt. Es war schon dämmrig, ich war spät dran. Hatte den Weg von mir zu Hause bis dorthin unterschätzt. Eigentlich sah ich eher eine Bewegung als einen Menschen. Verstehen Sie, was ich meine? Etwas aus den Augenwinkeln. Irgendwie bedrohlich.«
    »Und?«
    »Ich habe mich hinter einem Schutthaufen versteckt.«
    »Warum?«
    »Ich war neu dort. Ich plünderte. Das sind genug Gründe, finden Sie nicht?«
    »Was geschah dann?«
    »Ich wartete eine Zeit lang ab, bis ich glaubte, dass sich nichts mehr rührte. Dann erhob ich mich, ging weiter und entdeckte den nackten Toten. Den Rest kennen Sie bereits.«
    »Können Sie etwas zu der Gestalt sagen? Was hatte sie an? War sie groß, klein, dick, dünn? Ein Mann? Ein Kind?«
    »Kein Kind, ganz sicher. Nicht zu groß, nicht zu klein. Vielleicht eher groß und dünn. In dem Moment glaubte ich, dass es ein Mann sei. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke: Nein, ein Gesicht habe ich nicht erkannt. Es könnte auch eine Frau gewesen sein. Die Gestalt war in einen Mantel gehüllt.«
    »Einen Wollmantel? Herrenmantel? Wehrmachtsmantel?«
    »Einen langen, dunklen Mantel. Schwarz oder dunkelbraun.«
    »Oder dunkelblau?«
    »Könnte auch sein. Der Kopf war verhüllt, mit einem Tuch oder Schal. Oder mit einer Mütze, die zusätzlich mit Stoff umwickelt ist.«
    »Haben Sie noch etwas anderes gesehen? Seine Schuhe? Die Hände? Vielleicht besondere Handschuhe?«
    »Darauf habe ich nicht geachtet.«
    »Haben Sie etwas gehört? Geräusche?«
    »Geräusche?«
    »Schläge. Schreie, vielleicht dumpf, unterdrückt. Hilferufe.«
    Anna von Veckinhausen schüttelt den Kopf. »Im Gegenteil. Jetzt, da Sie es sagen – es war so still dort. Unnatürlich still. Ich glaube, mich hat diese absolute Stille

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