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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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herausgerissener Fetzen, vermutet Stave. Aus einem Heft, wie es Ingenieure und Techniker verwenden, die oft Berechnungen hinwerfen oder Skizzen.
    Er nimmt es und betrachtet es eingehend. Es ist zerknüllt worden: Die Spuren unzähliger Knicke haben sich als Netz auf das Papier gelegt. Eine Seite ist leer. Auf der anderen aber steht, mit Bleistift in krakeliger Schrift, wie in großer Eile notiert, ein Wort.
    »Bottleneck«, murmelt der Oberinspektor verwundert.
    Sie blickt ihn ratlos an. »Und dabei kann ich gar kein Englisch«, erwidert sie. »Eine Freundin hat es mir übersetzt.«
    »Flaschenhals.«
    »Es ist hastig hingeworfen worden, aber eindeutig die Handschrift meines Mannes. Was mag das bedeuten?«
    »Das«, sagt Stave gedehnt, »frage ich mich auch.«
    Der Oberinspektor verabschiedet sich, zögernd und zugleich eilig. Jede Faser seines Körpers genießt die Wärme in der Villa. Wie schön wäre es, noch ein wenig zu bleiben, den Mantel abzulegen, heißen Tee zu schlürfen. Die Augen schließen, schlafen. Andererseits treibt ihn diese Neuigkeit hinaus. Er muss sich mit den Kollegen besprechen, Gedanken austauschen, wirre Theorien auf ihre Plausibilität hin abklopfen.
    Er geht schnell, hinkt sogar, da er darauf jetzt nicht achtet. Bottleneck. Flaschenhals. Hals. Ein Zufall? Was soll das bedeuten? Ist Hellinger der Mörder? Aber warum dann dieser Zettel? Warum ein englisches Wort? Oder ist der verschwundene Industrielle bloß Komplize des Täters? Oder gar nur Zeuge?
    Stave bleibt abrupt stehen: Wenn Hellinger verschwinden wollte an jenem Morgen, verlor er den Zettel vielleicht unabsichtlich? Kaum wahrscheinlich. Wenn er aber tatsächlich, wie seine Frau behauptet, in großer Hast dieses eine Wort geschrieben hat, wenn er das Papier zerknüllte und an der Garderobe, wo er offenbar seinen Mantel anlegte, fallen ließ – spricht das nicht dafür, dass er nur wenige Augenblicke Zeit hatte? Und dass er dabei nicht allein war? Aber wer war an jenem Morgen in der Villa mit Hellinger zusammmen? Und kam der Industrielle freiwillig mit dem Unbekannten mit? Oder wurde er entführt? Das scheint seine Frau zu vermuten. Wer wollte ihn entführen?
    Stave betritt sein Büro, noch immer in Gedanken. Am Schreibtisch betrachtet er den Zettel, den er sich von Frau Hellinger ausbedungen hat – sie gab ihn nur zögernd her. Vielleicht befürchtet sie, dass es das letzte Lebenszeichen ihres Mannes ist, denkt der Oberinspektor. Und vielleicht hat sie ja recht.
    »Trommeln Sie Maschke und MacDonald zusammen«, ruft er kurz darauf durch die geschlossene Tür zu seiner Sekretärin.
    Ein kalter Tabakhauch, noch bevor die Tür geöffnet wird. Dann tritt Maschke ein. Erst einige Zeit darauf folgt MacDonald.
    Kurz angebunden erklärt er den beiden Männern, was er an diesem Morgen getan hat. Maschke denkt lange nach und nickt dann anerkennend. MacDonald starrt ihn bloß aufmerksam an.
    Stave erwidert den Blick. »Bottleneck«, verkündet er schließlich. »Das ist es, was auf dem Zettel steht. Mehr nicht.« Er präsentiert den Papierfetzen.
    Der Lieutenant ist blass geworden. »Was mag das bedeuten?«, flüstert er.
    Der Oberinspektor hebt die Hände. »Das bedeutet, dass Sie sich auf jeden Fall noch einmal bei Ihren Kameraden umhören müssen. Vielleicht hat das etwas mit unserem Mörder zu tun. Vielleicht auch nicht – aber selbst dann bleibt das Verschwinden von Hellinger seltsam. Und diese Spur ist die einzige, die wir von ihm haben. Eine englische Spur.«
    MacDonald senkt den Kopf, sodass man sein Gesicht nicht mehr gut erkennen kann. Seine Mimik ist schwer zu deuten, denkt Stave. Scham, weil ein Indiz auf einen Landsmann hindeutet? Oder Zorn, weil ein deutscher Polizist einen Vorwurf gegen einen Briten erhebt?
    Der Lieutenant blickt wieder auf, zwingt sich zu einem verbindlichen Gesichtsausdruck. »Sie haben recht, Herr Oberinspektor. Eine englische Spur. Ich werde ihr nachgehen.«
    Gerade, als der Brite sich erheben will, klopft es an der Tür. Erna Berg, die ihm für eine winzige Sekunde ein Lächeln schenkt, bevor sie sich an Stave wendet.
    »Da ist eine Dame, die Sie zu sprechen wünscht.«
    »Wer?«
    »Anna von Veckinhausen. Sie behauptet, dass Sie sie kennen.«
    Stave ignoriert die neugierigen Blicke von MacDonald und Maschke und verabschiedet beide mit einem Nicken. Der Kollege von der Sitte drängt sich an der dunkelhaarigen Frau vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Der Lieutenant ist höflicher und lässt sie eintreten,

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