Trugschluss
Geschäftsreise ist,
in Heidelberg. Sie hat drüben im Wohnzimmer Fernsehen geguckt, als das Telefon
klingelte und ein unbekannter Mann ihr gedroht hat, sie werde ihr ›blaues
Wunder‹ erleben, falls sie weiterhin Nachforschungen zu diesem Brummton
anstelle.«
»Brummton?«, fragte Häberle dazwischen.
Ihm war dieses Thema aus den Zeitungen zwar geläufig, doch er wollte sich
überzeugen.
»Ja«, erklärte der Beamte, »Frau Neumann
leidet seit einigen Jahren stark darunter – bis hin zu depressiven
Erscheinungen. Sie hat deshalb viele Nachforschungen angestellt …«
Brobeil unterbrach: »Nicht nur sie, auch
ich – und viele andere …«
Der Beamte fuhr fort: »Herr Brobeil ist da
auch stark engagiert«, er deutete auf den schmächtigen Mann. »Jedenfalls hat
Frau Neumann dem anonymen Anrufer zu verstehen gegeben, dass sie sich nicht
einschüchtern lassen wolle.«
Brobeil ergänzte: »Wir hätten doch nie
gedacht, dass die es ernst meinen.«
Häberle stutzte: »Wen meinen Sie damit?«
Sein junger Kollege verfolgte das Gespräch gespannt, ohne sich einzumischen.
»Na ja«, Brobeil ließ Lilos Arm los und
kratzte sich am Hals, »die, die verhindern wollen, dass bekannt wird, dass
hinter allem eine ganz große Sache steckt.«
Häberle verengte die Augenbrauen. »Eine …«,
er wollte vorsichtig vorgehen, »… eine Verschwörung?«
Während Lilo nahezu regungslos dasaß, nur
schwer atmend, wehrte sich Brobeil: »Fangen Sie jetzt bitte nicht damit an,
Herr Kommissar. Das ist doch die Masche in diesem Land. Sobald jemand nachhakt
und etwas aufdeckt, was niemand wissen darf, wird man gleich als Anhänger einer
obskuren Verschwörungstheorie abgestempelt.«
Häberle hob beschwichtigend die Hände: »Nichts
wird hier verharmlost, Herr Brobeil. Überhaupt nicht. Glauben Sie mir, wir sind
es gewohnt, die absonderlichsten Dinge zu erleben.«
Der Uniformierte sah wieder eine Chance,
in seinem Bericht fortzufahren: »Frau Neumann hat das Gespräch abrupt beendet,
war aber, wie wir uns vorstellen können, ziemlich schockiert. Sie hat sofort
Herrn Brobeil angerufen, einen guten Bekannten der Familie, der sich seit
geraumer Zeit also auch um diesen Brummton kümmert. Sie hat ihm von dem Anruf
berichtet, ist dann aber richtiggehend zusammengebrochen, wie sie sagt. Konnte
nicht mehr weitersprechen.« Der Uniformierte blickte kurz auf, vertiefte sich
aber gleich wieder in seine Aufzeichnungen. »Während Herr Brobeil, der in
Ehingen wohnt, sofort hierher gefahren ist, spielten sich hier dann dramatische
Szenen ab.«
Lilo begann noch schneller zu atmen. Sie
schien diese Augenblicke noch einmal durchleben zu müssen. Häberle nickte ihr
aufmunternd zu und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück.
»Es gab einen Schlag gegen die Scheibe der
Terrassentür – und dann ging alles ganz schnell«, las der Polizist von seinem
Schreibbrettchen: »Die Scheibe splitterte und wurde vollends aus dem Rahmen
geschlagen. Frau Neumann sah eine große Waffe auf sich gerichtet und einen
Mann, der in schwarze Motorradkluft gekleidet war, Handschuhe trug und einen
Helm mit zugeklapptem Visier. Wie maskiert, sagt sie. Der Mann habe durch die
zerschlagene Scheibe gegriffen und den Hebel für die Terrassentür umgelegt.
Gesagt hat der Mann nicht viel. Nur etwa: ›Keinen Ton oder es knallt.‹ Dann hat
er Frau Neumann gepackt, mit einem Klebeband die Hände auf den Rücken gefesselt
und in den Sessel zurückgeworfen. Als er ihr auch noch ein Klebeband auf den
Mund drücken wollte, wurde sich Frau Neumann ihrer hilflosen Lage bewusst. Sie
schrie panisch um Hilfe – in der Hoffnung, die Nachbarn könnten es hören. Er
hat ihr aber trotzdem noch eins drauf geklebt.«
Jetzt griff Brobeil wieder in das Gespräch
ein: »Und das war der Moment, als ich gerade vor der Tür stand und klingeln
wollte. Genau in diesem Augenblick, Herr Kommissar. Ist das Zufall?«
Häberle stutzte: »Was denn sonst?«, fragte
er geradezu entwaffnend. Brobeil schwieg.
»Ja«, machte der Uniformierte weiter, »Herr
Brobeil hat die Lage sofort erkannt, ist ums Haus zur Terrasse, während der
Täter wohl Hals über Kopf flüchtete, weil Herr Brobeil laut den Namen von Frau
Neumann gerufen hat. Der Täter ist vermutlich übers freie Feld davon.«
Die fünf Personen schwiegen sich für einen
kurzen Moment an.
»Und was der Mann konkret wollte, wissen
wir nicht«, stellte Häberle fest, »gibt es eine Beschreibung?«
Der Uniformierte zuckte mit den
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