Trugschluss
Schultern.
»Motorradkluft eben – und Helm. Hat Lederhandschuhe getragen. Alles in schwarz.«
»Deutscher?«, wollte der Kommissar wissen.
Lilo Neumann fühlte sich angesprochen. »Er
hat kaum etwas gesprochen.« Dann begann sie zu zittern und zu schluchzen: »Er
hat gesagt, er bringt mich um, wenn ich nicht still bin.«
Häberle wandte sich an seinen jungen
Kollegen Becker, der die Frau aufmerksam beobachtet hatte. »Rufen Sie die Spurensicherung.«
Der Schnauzbärtige nickte und verließ die Wohnung. Währenddessen hatte der
Uniformierte noch einen wichtigen Hinweis für den Kommissar: »Wir haben uns
auch schon umgesehen. Das Einzige, was der Täter zurückgelassen hat, ist ein
Papiertaschentuch.«
»Ach …?« Häberle wurde hellhörig.
»Ja, als er das Klebeband aus der
Hosentasche geholt hat, ist es ihm wohl herausgefallen. Es liegt dort neben der
Schrankwand.« »Lassen Sie es dort, bis die Spurensicherung kommt«, entschied
der Kommissar und wandte sich dann an Brobeil: »Ich denke, Sie sollten sich um
Frau Neumann kümmern.«
Der Angesprochene nickte und meinte
eindringlich: »Herr Kommissar, wir müssen uns unterhalten. Dringend.« Er
überlegte und fuhr fort: »Das ist kein Einbruch, bei dem nach Juwelen gesucht
wurde, glauben Sie mir.«
Häberle runzelte die Stirn und sah den
Mann an: »Davon ist wohl auszugehen. Aber …«. Er schaute Lilo in die wässrigen
Augen. »… kann man eigentlich Ihren Ehemann erreichen?«
Sie nickte schluchzend. »Ja, er hat ein
Handy.«
»Haben wir schon probiert«, schaltete sich
Brobeil wieder ein. »Aber er meldet sich nicht. Nur Mailbox, sonst nichts.«
33
Samstag, 29. November 2003.
Es war eine kurze Nacht gewesen, dazu noch kalt und nass. August
Häberle war erst um drei heimgekommen. Seine Frau hatte ihm den verdorbenen
Abend nicht übel genommen, sondern sogar noch zu später Stunde wissen wollen,
was denn geschehen sei. Als er von dem mysteriösen Brummton erzählte, wusste
seine Frau sofort, wovon er sprach. Sie hatte dies in den vergangenen Monaten
stets mit großem Interesse in den Medien verfolgt. »Ich glaube nicht, dass dies
Hirngespinste sind«, sagte sie, während ihr Mann unter seine Decke kroch, »das
klingt durchaus seriös und glaubhaft.« Dann fügte sie noch lächelnd hinzu: »Aber
dafür bist du viel zu sehr Realist, stimmt’s?«
Er streichelte über ihr blondes Haar und
löschte mit der anderen Hand die Lampe auf dem Nachttischchen. »Was glaubst du,
was täglich so alles verzapft wird …!«
Häberle war wieder früh aufgestanden, hatte sich ein ziemlich
einfaches Frühstück gemacht und war bei diesem Sudelwetter auf der auch
samstags völlig überlasteten B 10 von Ampelrot zu Ampelrot nach Geislingen
hinaufgefahren. Er hatte für sich entschieden, die Hintergründe des nächtlichen
Falles beleuchten zu wollen. Vor allem schien es ihm geboten, diesen Pfarrer
noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Es war verdammt kalt, stellte er beim
Aussteigen fest. Die Büros waren an diesem Samstagvormittag menschenleer. Erst
als der Kommissar zur Tür des Chefzimmers kam, bemerkte er, dass dort jemand
war. Dort saß aber nicht mehr Franz Walda, sondern Rudolf Schmittke. Häberle
und er waren seit geraumer Zeit schon Kollegen. Vor kurzem hatte der jugendlich
wirkende Schmittke die Nachfolge des pensionierten Walda angetreten. Die kühle
und vornehme Zurückhaltung des großen blonden Mannes ließ auch darauf
schließen, dass er bemüht war, sich langsam in seine neue Chef-Rolle
hineinzutasten. In seinem Alter empfahl es sich heutzutage, ohne Kanten und
Ösen zu sein, um sich die berufliche Zukunft nicht zu verbauen.
Die beiden Männer schüttelten sich kräftig
die Hände und saßen sich dann gegenüber. Häberle informierte den Geislinger
Kripo-Chef über die Erkenntnisse der vergangenen Nacht und erklärte, dass er
mit dem Bereitschaftsdienstler in Steinenkirch gewesen sei.
»Eine äußerst merkwürdige Sache«,
kommentierte Schmittke und spielte mit einem Kugelschreiber. »Die Kollegen von
der Spurensicherung haben einige Schuhabdrücke im Garten festgestellt. Der
Täter ist demnach in die freie Landschaft geflüchtet.«
Häberle nickte. »War zu vermuten. Aber
dann muss er irgendwo dort auch ein Fahrzeug geparkt haben. Oder ein Komplize
hat auf ihn gewartet.«
»Auf den Feldwegen haben wir keine Spuren
finden können«, entgegnete der der Kriminalist. »Dafür aber«, so fuhr er fort, »haben
wir schon rausgekriegt, woher
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