Trugschluss
der Drohanruf gekommen ist.« Schmittke holte ein
Blatt Papier hervor. »Leider von einer Telefonzelle – drüben in Böhmenkirch.
Gerade mal zwei, drei Kilometer weg vom Haus dieser Neumanns.«
Häberle zuckte mit den Schultern. »Dann
veranlassen wir einen Aufruf – wer hat um diese Uhrzeit jemanden an dieser
Telefonzelle gesehen, und so weiter.«
»Die Kollegen haben die Telefonzelle und
den Apparat schon mal genauer unter die Lupe genommen. DNA-Material am Hörer –
na ja«, Schmittke zeigte wenig Begeisterung, »da wird sich sicher jede Menge
finden.«
»Und was ist mit dem Papiertaschentuch?«
»Schon auf dem Weg nach Stuttgart zum LKA«,
erklärte Schmittke, der insgeheim froh war, dass Häberle die Verantwortung für
den Fall übernommen hatte. Der frischgebackene Kripo-Chef war noch viel zu sehr
mit Verwaltungskram beschäftigt, als dass er sich bereits voll in die
Ermittlungstätigkeit hätte einbringen können.
»Und der Ehemann von dieser Frau?«, hakte
der Kommissar aus Göppingen nach.
»Wir haben ihn in Heidelberg ausfindig
gemacht. Er ist inzwischen zurückgekommen.« Schmittke schaute auf seine
Armbanduhr. »Wir haben auf zehn mit ihm einen Termin vereinbart.«
»Ich fahre hin«, erklärte Häberle spontan,
»ach ja, ist der junge Kollege Linkohr heute auch zufällig da?«
Schmittke lächelte. »Ist verständigt
worden. Ich hab schon gehört, ihr beide geht gern miteinander ins Gelände. Ich
werd ihm Bescheid sagen.« Die beiden hatten in jüngster Zeit zwei große Fälle
bearbeitet. Schmittke entsann sich an den Mordfall vom Himmelsfelsen, als vor
eineinhalb Jahren ein Diskobesitzer auf dubiose Weise ums Leben gekommen war,
und vor allem dachte er an den verrückten Irrflieger vom zurückliegenden
Sommer, als es in Ulm beinahe zu einer Katastrophe gekommen wäre.
»Den Brobeil haben wir auch vorgeladen«,
ergänzte der Außenstellen-Chef, »der wird um 14 Uhr hierherkommen.«
»Dann nichts wie los«, lächelte Häberle
und stand auf, »der Fall scheint mir geradezu globale Dimensionen zu haben.«
Während er das Büro verließ, rief ihm ein staunender Schmittke nach: »Wie
bitte?«
Der Kommissar drehte sich noch kurz um und
blinzelte seinem Kollegen zu: »Es brummt – und keiner will’s glauben.«
Der junge Chef verharrte einen Augenblick,
beschloss dann aber, dem altgedienten Kommissar noch eine kurze Information zu
geben: »In Göppingen hat’s heut Nacht einen Vermissten gegeben«, rief er ihm
nach.
Häberle, der schon ein paar Schritte
gegangen war, hielt inne und drehte sich interessiert um: »Und?«
Schmittke stand auf und kam hinter seinem
Schreibtisch hervor. »Scheint ein bisschen brisant zu sein, sagt der Chef. Ein
Kreisrat ist während der Sitzung raus – und seither spurlos verschwunden.«
Häberle stutzte. »Ein Kreisrat?«, fragte
er ungläubig, »wer ist es denn?«
»Der Blühm von den Konservativen – wohnt
in unserem Gebiet hier, draußen in Deggingen, im ›Täle‹.«
»Irgendwas verdächtig dabei?«, wollte
Häberle wissen. Vermisste gab’s schließlich immer wieder. Oftmals
Beziehungskisten. Eheprobleme. Einer hat das Zusammenleben satt und haut ab.
Bevor die Polizei bei Erwachsenen tätig werden kann, müssen verschiedene Punkte
abgeklopft werden. Schließlich hat jeder das Recht, sich ohne Angaben von
Gründen einen anderen Aufenthaltsort zu suchen. Nur wenn es Merkwürdigkeiten
gibt oder gar Hinweise auf ein Verbrechen vorliegen könnten, gehen die
Ermittlungen los.
»Seine Frau ist noch heut Nacht
hergekommen und hat zu Protokoll gegeben, ihr Mann sei in den vergangenen
Wochen schon bedroht worden.« Schmittkes Gesicht hatte einen noch ernsteren
Ausdruck angenommen.
Häberle, der eigentlich anderes im Kopf
hatte, zeigte sich zunehmend interessiert: »Inwiefern bedroht worden?«
»Anrufe, Zettel im Briefkasten, mal ein
Autoreifen zerschnitten – und jetzt kommt’s: vorletzte Nacht hat man ihm sogar
sein Auto gestohlen.«
»Ach«, machte der Göppinger Kriminalist
und holte tief Luft, »wer bearbeitet den Fall?«
»Kollege Schmidt«, sagte der Geislinger
Chef, »er ist bereits draußen und vernimmt Frau Blühm.«
»Haltet mich auf dem Laufenden«, bat
Häberle und verabschiedete sich.
Jens Vollmer war von Zweifeln geplagt. Diese dunkle Jahreszeit war
auch im Tessin alles andere als aufbauend. Der Sommer mit Claudia, es war schon
der dritte, war zwar wieder traumhaft gewesen und er hatte die lauen Abende und
Nächte genossen, doch
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