Trugschluss
die Menschheit bedeuten würde, diese Kraft zu erschließen?
Sie zu beherrschen – oder zu neutralisieren?« Er überlegte. »Sie haben doch
selbst erlebt, vor zweieinhalb Jahren, glaub ich, war’s, ja, da haben Sie doch
gespürt, welch gewaltiger Energieschub notwendig ist, um nur ein einziges
Shuttle in die Erdumlaufbahn zu bringen. Wir müssen viel Energie vergeuden, um
uns von diesem Planeten zu lösen, verstehen Sie?«
Jetzt fügte Ben-Ali hinzu: »Nicht nur beim
Shuttle, sondern in jedem Flugzeug natürlich.«
»Aber das ist nicht wirklich neu«,
wiegelte Abdul ab, »seit Ihr genialer Einstein darüber wissenschaftliche
Abhandlungen geschrieben hat, sind ganze Generationen von Wissenschaftlern damit
befasst, Schlüsse aus seinen Folgerungen zu ziehen und sie in die Tat
umzusetzen.«
»Und jetzt«, so unterbrach Manuela den
Redefluss des Arabers während sie alle immer noch von Hintergrundsmusik
berieselt wurden, »jetzt stehen die Vorbereitungen vor dem Abschluss – meinen
Sie das?«
»Erste Versuche sind gelaufen«, erwiderte
Abdul emotionslos, »hier wie dort.« Er lächelte vielsagend. »Wie Sie selbst
herausgefunden haben, steht das ›Projekt Echo‹ kurz vor der ersten
Aktivierungsphase.« Er stockte, um sich vorsichtig umzusehen. »Und unsere
Auftraggeber haben den Befehl erteilt, dies zu stoppen.«
Ben-Ali bekräftigte: »Mit allen Mitteln,
wie Sie wissen. Mit allen.« Er hatte einen energischen Gesichtsausdruck.
Auch Abduls Gesicht wirkte plötzlich
versteinert. »Wir benötigen dazu keine Armee und keine Bomberstaffel. Wir
müssen sie dort treffen, wo sie am empfindlichsten sind. So einfach ist das.«
Er lächelte wieder. »Im Computerzeitalter müssen Sie nur wissen, wo die
verwundbarste Stelle ist.«
Braunstein nickte. Er ahnte, was kommen
würde.
»Wir haben diesen schönen Ort hier nicht
ausgewählt, um demnächst den 125. Geburtstags seines größten Genies zu feiern«,
meinte Abdul. »Nein, weil der verwundbarste Punkt ganz in der Nähe von hier
liegt – nur zwanzig, dreißig Kilometer nordwestlich von hier.«
Braunstein sprach es aus: »Sie meinen …
Hohenstadt?«
35
Häberle und Linkohr hatten sich verabschiedet und waren durch die
kühle Nässe des November-Mittags zu ihrem Dienst-Mercedes geeilt. Der Nebel
hatte sich nur unwesentlich zurückgezogen. Es nieselte noch immer. »Alles nur
kein Adventswetter«, murmelte der Kommissar, als er die ganze Fülle seines
Körpers hinters Steuer plumpsen ließ. Linkohr nahm neben ihm Platz und
blätterte in seinen Notizen. »Reichlich dubiose Geschichte. Da haut’s dir’s
Blech weg«, meinte er, während Häberle den Wagen wendete und aus dem Wohngebiet
hinausfuhr.
»Hat bloß noch gefehlt, dass einer mit
einem Ufo daher gekommen wär’ …« Der altgediente Kriminalist war ziemlich
missmutig, »was mir nicht aus dem Kopf will, ist die Frage, was der seltsame
Einbrecher mit dieser Lilo getan hätte, wenn der Herr Pfarrer nicht gekommen
wär …«
»Eingeschüchtert vielleicht – oder
Unterlagen gesucht. Zu diesem Brummton«, meinte Linkohr und sah eine schwarze
Katze über die Dorfstraße huschen. »Was halten Sie davon?«
»Ich?« Häberle tat so, als sei diese Frage
völlig absurd. Sie erreichten die Ortsdurchfahrt, wo Häberle rechts in Richtung
Geislingen abbog. »Was ich davon halte, spielt keine Rolle, lieber Kollege.
Entscheidend ist, was die Beteiligten davon halten. Und die sind, wie ich das
einschätze, ziemlich von ihren Nachforschungen überzeugt.«
»Seh ich auch so«, meinte sein Kollege, »die
sind felsenfest davon überzeugt, dass sie an einer riesengroßen Sache dran
sind.«
Häberle nickte stumm und schaltete die
Klima-Anlage auf 22 Grad. Der Mercedes rollte die Steinenkircher Steige abwärts
ins neblig-triste Roggental. »Eine illustre Gesellschaft kommt da zusammen«,
sinnierte der Kommissar, »erinnern Sie sich an den Willing? Diesen schrulligen
Erfinder aus Hohenstadt?«
»Klar doch, war damals der einzige Zeuge
bei der verkohlten Leiche«, ereiferte sich Linkohr, während die Untere
Roggenmühle vorbeizog.
»Und was mir verdammt komisch vorkommt,
Herr Kollege, das sind mir dessen Verwicklungen in alles. Zuerst vor
dreieinhalb Jahren die Sache mit dieser Leiche – und dann hat mir kürzlich ein
ehemaliger Stuttgarter Kollege geflüstert, dass Willing auch mal im Visier der
Verfassungsschützer war.«
»Wie das denn«, wunderte sich der Kollege.
Sie erreichten jetzt das Talörtchen
Eybach, wo sich
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