Trugschluss
hinüber, wo er
sich zu den Kriminalisten umdrehte. »Das wäre eine lange Geschichte, meine
Herren. Sie zu erzählen, wird sich aber kaum lohnen, weil für Sie nur der
Einbrecher interessant ist. Wir haben so viel Beweismaterial zusammengetragen –
doch am Ende hat’s niemanden interessiert. Der ›Spiegel‹ hat mal angerufen, der
›Focus‹ auch, ja, sogar das ZDF, aber raus gekommen ist dabei entweder gar
nichts, oder eine allseits wohlwollende Reportage, in der irgendwelche Beamte
oder Pseudo-Sachverständige abwiegeln durften. Und letztlich sind wir
dagestanden wie die Deppen. So ist das, meine Herren.« Willing machte einen
resignierenden Eindruck. Er öffnete das Fenster, um frische Luft herein zu
lassen. Linkohr empfand es als wohltuend, auch wenn die Raumtemperatur rasch
sank.
Die beiden Kriminalisten sagten nichts,
weil sie spürten, dass der Mann weiterreden wollte. Er tat es auch: »Dass da
etwas im Busch ist, ist mir seit langem klar.« Er überlegte, drehte sich zum
offenen Fenster und holte tief Luft. Dann wandte er sich wieder seinen
Besuchern zu: »Da schnüffeln einige rum hier. Hier auf der Alb. Hier bei uns,
aber auch drüben in Blaubeuren.«
»Schnüffeln?«, wiederholte Linkohr
fragend.
Willing schloss das Fenster wieder und
blieb davor stehen. Offenbar plagten ihn Rückenschmerzen. Er strich sich immer
wieder mit den Händen über den Lendenbereich.
»Ja, so kann man das sagen, schnüffeln«,
griff er die Frage auf, »wissen Sie, hier oben bleibt das nicht lange
verborgen. Fremde fallen hier auf – auch wenn’s hier einige Touristen auf den
Campingplätzen gibt, hier bei uns oder drüben in Westerheim. Aber die benehmen
sich anders.«
»Und wie benehmen sich diese Schnüffler?«
Willing fühlte sich durch Häberles Frage
ernst genommen. »Na ja, anders eben.« Er dachte nach. »Es ist jetzt vielleicht
ein halbes Jahr her, da tauchten hier ein Mann und eine Frau auf, angeblich
Brummton-Geschädigte – wollten mit mir reden. Ich hab ziemlich schnell gemerkt,
dass sie mich nur aushorchen wollten. Spionieren, meine Herren. Sie hatten aber
die Adressen vieler von uns – auch von Lilo. Auf meine Frage, woher sie die
hätten, haben sie gesagt, das ginge mich nichts an. Wissen Sie, was ich dann
gemacht hab? Rausgeschmissen hab ich sie.« Er lächelte, doch kehrten sofort
wieder die ernsten und kränklichen Gesichtszüge zurück. »Sie sind gegangen,
doch dann hat sich dieser unverschämte Kerl an der Tür noch rumgedreht und mir
gedroht, ich täte gut daran, die Finger von dieser Sache zu lassen, weil ich
sonst erheblichen Ärger bekäme.«
Linkohr schrieb eifrig mit, während
Häberle sein Gegenüber aufmerksam musterte. Willing war aufgebracht, innerlich
aufgewühlt. »Der hat mir gedroht, Herr Kommissar, richtig gedroht und dann auch
noch im Rausgehen gesagt, ich soll das gefälligst all meinen, verrückten
Freunden ausrichten.«
»Und warum sind Sie nicht zur Polizei
gegangen?«, wollte Häberle wissen.
»Zur Polizei«, äffte der Glatzköpfige
nach, »wie stellen Sie sich das vor? Ich marschier zum Posten nach Wiesensteig
runter und sag, Herr Wachtmeister, ich werd bedroht, weil ich nach dem Brummton
forsche? Für wie naiv halten Sie mich? Der steckt mich in die Klapsmühle.
Fragen Sie Ihren Kollegen doch selbst, wie er reagiert hätte!«
Häberle sagte nichts.
»Und wie sahen die beiden Personen aus?«,
wollte Linkohr wissen.
Willing runzelte die Stirn. »Das ist schon
geraume Zeit her. Er war älter jedenfalls, ja, die Frau war jünger, aber sie
hat kaum etwas gesprochen.«
»Deutsche?«, fragte Linkohr dazwischen.
Der Mann nickte. »Ja, haben Hochdeutsch
gesprochen. Das sind keine von hier.« Er kniff die Augen zusammen und blickte
dem Kommissar scharf ins Gesicht: »Glauben Sie mir, die wollten uns aushorchen.«
»Uns?«, griff Häberle diese Bemerkung auf.
»Ja, inzwischen weiß ich, dass die beiden
überall ihr Unwesen treiben. Wenn Sie mehr wissen wollen, empfehl ich Ihnen,
mit Thomas Steinbach zu reden.«
Linkohr blätterte eifrig in seinem
Notizblock. Klar, den Namen hatte er heute schon mal aufgeschrieben. In
Steinenkirch war er gefallen. »Aus Blaubeuren«, warf Linkohr deshalb ein, um
seinem Chef auf die Sprünge zu helfen.
»Richtig«, bestätigte Willing, »sagte
doch, dass sie auch dort aufgetaucht sind. Aber Steinbach weiß mehr, sogar ihre
Namen.«
»Ach«, staunte der Kriminalist, »der kennt
die beiden?«
Über Willings Gesicht huschte ein
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