Trugschluss
Sattelzug
herkriechen musste, der den ganzen Schmutz der Straße gegen die
Windschutzscheibe wirbelte, zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls ist mir noch
nie ein solches Motiv aufgetischt worden – ein Brummton-Phänomen!«
Linkohr stellte das Warmluftgebläse höher.
»Ja, da haut’s dir’s Blech weg«, kommentierte er wieder einmal. »Kennen Sie
diesen Blühm?«
»Nur vom Namen her«, erwiderte der
Kommissar, »kann mir gut vorstellen, dass bei uns jetzt einige in die Hose
machen, bloß, weil’s ein Politiker ist, dazu noch von den Konservativen, die
drunten in Stuttgart das Sagen haben. Wenn da was daneben geht, könnten Köpfe
rollen.«
»Aber doch ›oben‹ nicht …«, stellte
Linkohr resignierend fest, »wenn’s einen erwischt, dann doch nur einen aus den
unteren Rängen.«
»Das alte Spiel«, pflichtete ihm Häberle
bei, »die Oberen lobt man raus, mit Abfindung oder mit einem anderen Posten, wo
sie nix mehr versaubeuteln können, während man unsereinem die Pension kürzt.
Richtig erkannt, Kollege. Dieses Prinzip funktioniert sowohl in der freien
Wirtschaft, als auch im Beamtenapparat.«
»Wenn also etwas verschleiert werden soll,
von wem auch immer, dann hätten auch wir schlechte Karten …?« Die Feststellung
Linkohrs hörte sich wie eine Frage an.
Häberle überlegte kurz, was er sagen
sollte. Er entschied sich für eine allgemeine Bemerkung: »Glauben Sie mir,
Kollege, es gibt in allen Lebensbereichen Dinge, die man der breiten
Öffentlichkeit vorenthält – oder zweckmäßigerweise vorenthalten muss.«
Der junge Beamte wollte nicht weiter
nachhaken. Manchem Springinsfeld hatten sie schon während der Ausbildung bei
der Bereitschaftspolizei den Zahn gezogen. Wer’s beim Staat (und nicht nur
dort) zu etwas bringen will, stellt am besten nicht so viele Fragen.
Häberle bog vor dem Tunnel von der
Ortsumgehungsstraße ab, um in das idyllische Städtchen zu fahren, dessen
Blautopf es keinesfalls nur bei Höhlentauchern weithin bekannt gemacht hat.
Auch hier brannte die Weihnachtsbeleuchtung, die sich auf der feuchten Straße
spiegelte. Die beiden Kriminalisten suchten gemeinsam die Adresse ihres
nächsten Gesprächspartners, mussten dazu einen Passanten fragen, der mit seinem
Regenschirm dicht an die Beifahrertür herankam, und gelangten schließlich an
ihr Ziel. Es war eine ruhige Siedlungsstraße, die sich zu dem bizarren
Felskoloss hinüberzog, den sie hier ›Klötzle Blei‹ nennen.
Thomas Steinbach bewohnte ein schlichtes
Einfamilienhaus, in dessen Vorgarten die Sträucher wintertrist wirkten. Der
Mann, knapp über 40, trug eine Jeanshose und einen dicken grauen
Strickpullover. Er hatte beim ersten Klingeln gleich geöffnet. »Das ging aber
schnell«, staunte er, nachdem Häberle sich und seinen Kollegen vorgestellt
hatte. Steinbachs Gesicht strahlte, als stünde ein längst erwarteter Besuch vor
ihm. Er führte die beiden Kriminalisten durch einen engen und dunklen Flur in
ein Wohnzimmer, das nach Häberles Geschmack viel zu klein war für die große
dunkelgraue Couch-Garnitur. Auch die in Eichen gehaltene Regalwand, die mit
Büchern vollgestellt war, verbreitete eine finstere Atmosphäre. Auf dem Tisch
stand ein Adventskranz.
Steinbach, ein rundlicher Mann mit einer
Goldrand-Brille und schwarzen, jedoch schon deutlich ergrauten Haaren, bot den
Besuchern Platz in Sesseln an. Er selbst setzte sich auf die Couch und gab sich
gesprächig: »Norbert hat mir gesagt, worum’s geht. Sie sind hinter den Agenten
her.«
Häberle verzog sein Gesicht zu einem
Grinsen. »Na ja, ob Agenten oder nur ein Einbrecher, das wird sich zeigen.
Vorläufig wollen wir von Ihnen hören, was Sie zu der Sache zu sagen haben.«
Linkohr zog wieder seinen Notizblock
heraus und war auf die Aussage des Mannes gespannt.
»Sie wissen ja schon, worum’s geht. Um
diesen Brummton und dass uns niemand so richtig ernst nimmt. Die
Landesregierung hat mal einen Messtrupp hierher geschickt und dann haben sie
droben auf den Hochflächen tagelang ihre Geräte aufgestellt. Doch
herausgekommen ist angeblich nichts – außer kiloweise Papier und schöne Worte.
Außer Spesen nix gewesen, meine Herrn«, resümierte Steinbach und fügte
resignierend hinzu: »Aber das ist doch in dieser Republik inzwischen landauf,
landab so.«
Häberle nickte zustimmend. »Deshalb haben
Sie und Ihre Mitstreiter die Sache selbst in die Hand genommen?«
»So könnte man das bezeichnen, ja«,
erwiderte der Mann, der den Ansatz zu einem
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