Trust Me - Blutiges Grauen
Jane? Als Skye angekommen war, hatte eine Lampe auf der Veranda geleuchtet, die dann aber ausgegangen war. Vielleicht hatte Jane ja einen Babysitter für Kate im Haus.
Wer auch immer es war: Skye befürchtete, dass er noch einmal zurückkommen könnte. Und dann würde er womöglich aussteigen und zu ihrem Wagen kommen. Sie wartete, bis die Rücklichter des Lexus’ um die Ecke verschwunden waren. Dann schnappte sie sich ihre Taschenlampe und den Revolver, schob sich beides in die Tasche ihres schweren Mantels und kroch auf der Beifahrerseite aus dem Wagen. Das Zweifamilienhaus, vor dem sie parkte, sah genauso heruntergekommen aus wie Jane Burkes Haus.
In einem großen Bogen, um nicht von den Straßenlaternen angeleuchtet zu werden, schlich Skye zu Janes Seitengarten hinüber. Sie schnalzte leise mit der Zunge, um zu prüfen, ob Jane einen Hund hatte.
Kein Gebell, Knurren, Winseln oder Kratzen war zu hören. Nichts.
Skye öffnete das Gartentor und schlüpfte hinein.
Sie brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass Jane zu Hause war. Im hinteren Teil brannte Licht. Das konnte man von vorn nicht sehen, weil die Garage bis auf den schmalen Fußweg zum Vordereingang alles verdeckte. Skye sah Burkes Frau durch das Wohnzimmerfenster. Sie tauchte ab und zu an der Tür auf, während sie telefonierend in der Küche auf und ab lief.
Glücklicherweise waren die Jalousien in der Küche heruntergelassen, sodass Skye sich dicht ans Fenster schleichen und lauschen konnte.
“Ich sage dir, der Wagen steht schon den ganzen Abend da draußen … Ich habe jemanden drinnen gesehen …” Skye verstand den Rest des Satzes nicht mehr. “Meinst du, es könnte jemand von der Polizei sein? Dieser Detective war heute Morgen im Salon … Kannst du das nicht für mich überprüfen? Bitte?”
Skye ging leise zum Gartentor zurück und lugte durch einen Spalt des Zauns, um nach dem Lexus Ausschau zu halten. Der kam nun zum dritten Mal um die Ecke gebogen. Den Fahrer konnte sie nicht erkennen, dazu war es zu dunkel. Die Bremslichter flackerten auf, als er neben dem Volvo anhielt.
Eine Autotür wurde geöffnet, dann geschlossen. Der Fahrer musste einen Blick in ihren Wagen geworfen haben. Als der Lexus kurz darauf weiterfuhr, klingelte das Telefon im Haus. Durch das Fenster konnte Skye sehen, wie Jane den Hörer abnahm. Vorsichtig ging sie wieder nach hinten zum Küchenfenster – sie wollte nicht in irgendetwas hineinrennen. Deshalb entging ihr der erste Teil des Gesprächs.
“… einfach nur, weil … du weißt ja, wie schrecklich das war”, sagte Jane gerade. “Ich weiß, du hattest nicht vor auszusteigen, aber kannst du nicht kurz reinkommen? … Sag ihr doch einfach, dass ich Angst hatte und du im Haus noch mal alles überprüfen wolltest, die Fenster und Türen. Das würde uns ein paar Minuten Zeit geben …” Jane musste sich abgewandt haben, denn jetzt konnte Skye nur noch einzelne Worte wie “… warte … schnell … liebe dich” aufschnappen, bevor Jane auflegte.
Mit wem hatte Jane telefoniert? David meinte, Jane sei noch immer mit Burke zusammen. Aber das hier war merkwürdig.
Als sie sich wieder zum Gartenzaun schlich, sah sie den Lexus am Straßenrand einparken. Ein etwa eins fünfundachtzig großer Mann in Jeans und einer dicken Jacke stieg aus dem Wagen.
Das Licht im Wohnzimmer wurde angeschaltet, bevor Jane zur Tür ging, um zu öffnen. Skye war gezwungen, sich vom Fenster zu entfernen. Sie suchte sich einen Platz, an dem man sie von drinnen nicht sah. Deshalb konnte sie erst einen Blick auf Janes Besucher werfen, nachdem Jane ihn hereingelassen hatte. Skye erkannte ihn sofort. Es war Burkes Bruder. Zusammen mit dem Rest der Familie war er fast zu jeder Gerichtsverhandlung gekommen.
Jane hatte den Volvo auf der anderen Straßenseite entdeckt und ihren Schwager angerufen.
Skye bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie ihr Angst eingejagt hatte. Sie wandte den Blick ab und presste sich mit dem Rücken gegen die Wand des Hauses. Jane war im Grunde genauso ein Opfer wie Skye; sie verstand nur die Zusammenhänge nicht. Das zeigten Skye die Hassbriefe, die sie von Jane bekommen hatte.
Der letzte Blick nach drinnen, um sich zu vergewissern, dass sie ungesehen zu ihrem Auto kam, ließ Skye erstarren. Jane und Burkes Bruder küssten sich. Aber nicht, wie man es von Schwägerin und Schwager erwarten würde. Es war ein Zungenkuss, und er hatte seine Hand in ihren Bademantel geschoben.
Sag ihr doch einfach, dass ich Angst
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