Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
für seinen Anwalt.
„ I ch versuchte, mich nicht darüber aufzuregen“, sagte Michael. „Ich wollte meine Arbeit machen, und ich hatte wundervolle Ideen. Ich wollte vorwärtskommen. Aber es war schwer. Je mehr Leute die hämischen Kritiken lasen, desto mehr glaubten natürlich dran und desto mehr sahen alles durch den skeptischen Pressefilter. Sie beeinflussten das Kaufverhalten. Ich wurde nicht mehr so oft im Radio gespielt und wenn, dann nur von kleineren Sendern. Trotzdem hab ich 30 Millionen Records von BAD verkauft. Ich glaubte in diesen Jahren noch an ein natürliches Tief. Und ich hatte meine Ranch, mein Neverland, mein Stückchen Paradies. Ich spürte dort eine starke Energie, die mich inspirierte und am liebsten war ich mit mir allein in meinem Ton- und Tanzstudio. Oder auf meinem Giving-Tree. Diese Nächte…voller Arbeit…voller Musik…die waren mir am liebsten. Ich bin gern allein. Aber ich bin nicht gern einsam.“
Michael aber war einsam. Mehr denn je sehnte er sich nach Zärtlichkeiten. Er war nun über dreißig Jahre alt. Er hatte noch keine Freundin gehabt, jedenfalls keine, die man so nennen konnte. Wer streichelte ihn? Wer gab ihm den Körperkontakt, den jeder Mensch brauchte, um nicht wahnsinnig zu werden? Michaels hohe Energie half ihm über vieles hinweg und auf Neverland fiel es ihm leicht, in seine kindliche Seele zu fallen, zu lachen und glücklich zu sein.
Nach wie vor fühlte er eine tiefe Verbundenheit mit Kindern – daraus schöpfte er, zum Unverständnis aller - die meiste Kraft. Aber er war nicht nur Kind, er war auch ein erwachsener Mensch und suchte adäquaten Austausch und echte Freunde. Das Kindsein instinktiv als Quelle seiner hohen Inspiration zu schützen und der Drang, ein normaler Erwachsener sein zu wollen, um in der Welt funktionieren zu können, verursachte einen diffusen Zwiespalt in ihm. Seine Jungensfreundschaften gaben ihm viel, aber nicht alles. Bis er auf Jordy traf.
Mit Jordy änderte sich alles.
***
Jeden Morgen sah mich Grace mit der gleichen, stummen Frage im Blick an. Und die letzten Tage hatte ich nur mit den Schultern zucken können. Durch Michaels Erzählungen kristallisierten sich zwar Muster heraus, aber Dinge erkennen und Dinge zu lösen sind zweierlei Paar Schuhe und letzteres deutlich schwerer als das erste.
„Auf was wartest du?“, fragte mich Grace nach der vierten Nacht.
„Weiß nicht. Vielleicht auf einen Nervenzusammenbruch.”
Grace sagte nichts, wurde aber nervös. Rastlos räumte sie Dinge weg, lief in der Küche hin und her, während ich an der Spüle lehnte und sie beobachtete. Endlich blieb sie stehen.
„Du meinst das ernst, oder?“
„Ja“, sagte ich, „ich weiß nicht, ob wir weitermachen sollen... ich könnte damit nicht umgehen. Grace...ich bin kein Therapeut oder Arzt...aber ich will auch keinen hinzuziehen...weil...es wäre dann einfach nicht mehr intim genug.”
„Ich weiß, ich weiß... aber warum ein Zusammenbruch?“
„Das hab ich mal gelesen...“, sagte ich, „wenn Menschen heftige Muster auf einen Knall loswerden...hat das die entsprechende körperliche Wirkung, verstehst du, was ich sagen will?“
Grace runzelte die Stirn: „Aber wie äußert sich das?“
„Ich nehme an, er übergibt sich, er schreit, weint, tobt, klappt zusammen...ich weiß nicht.”
„Oh“, sagte Grace, „damit kann ich umgehen. Das hatten wir alles schon.“
Man merkte ihr an – sie vertraute der Sache immer weniger. Und ich konnte es ihr nicht verdenken. Ich hatte selbst keine Ahnung, wohin das alles führen würde. Ob es überhaupt zu etwas führen würde.
Ein Freund für Mike
„Ich ertrage das nicht mehr! Du kriegst gar nichts auf die Reihe! Du kannst noch nicht einmal deine Familie anständig ernähren! Du bist krank! Paranoid!“
Jordy kannte das auswendig. Seine Eltern stritten sich dauernd. Und lange. Oh, es war so ätzend! Frustriert hielt er sich die Ohren zu und konnte nichts tun, außer zu warten, bis es vorbei war. Wie immer kam nach dem Streit seine Mom zu ihm und nahm ihn in den Arm. Das war besonders schlimm. Sie kam mit all ihren Sorgen und Belastungen und hielt sich an ihm fest. Dann versuchte er ihr zu helfen, versuchte, ihr das geben, was sie in solchen Momenten brauchte: Seine Liebe. Kinder sind so einfach.
„Bist du traurig, Mom?“, fragte er.
„Ja, mein Schatz. Mami ist traurig.”
Aufmerksam sah Jordy sie an. „Mach doch das Traurige weg“, sagte er, griff mit seinen Patschhändchen in
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