Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
nach draußen gelassen wurde.
Und es waren diese unpersönlichen, immer gleichen Hotelzimmer, die der tödlichen Einsamkeit in ihm Raum gaben. Deswegen hasste er Touren. Er hasste sie, weil er so allein mit sich war, allein mit Emotionen wie Schwermut und alten Erlebnissen, die ihre geistigen Dünste in Form von Ahnungen und Träumen nach oben schickten und die er nicht fühlen wollte.
Seine Familie hatte sich, seit die Bühne alles ersetzt hatte, auf eine Arbeitsgemeinschaft komprimiert, in der er etwas leisten musste. Und wenn er es nicht geleistet hatte, war er geschlagen worden. Seine Mutter war in vielen Fällen nicht da gewesen und es hatte nicht genug Zeit gegeben, sich so um ihn zu kümmern, wie er es gebraucht hätte. Er hungerte nach Liebe, hungerte nach Zärtlichkeit, hungerte nach einem echten, wahren Freund.
Umgeben von Tausenden von Menschen spürte er tief in sich diese allgegenwärtige Isolierung, die durch nichts, durch keinen Erfolg der Welt, zu stillen war. Und das wusste er. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in die Arbeit zu stürzen.
Sein nächstes Album stand an, mit dem er die Erfolge des zweiten überbieten wollte. Fieberhaft arbeitete er an den Songs, der Bühnenshow, den Arrangements. Er hatte ein festes Ziel, schrieb sich Zettel und Notizen und klebte sie an Wände und Spiegel.
„Ich will eine Steigerung von Thriller... mit dem neuen Album will ich 100 Millionen Tonträger und ich will, dass ihr alle dran glaubt“, erklärte er seinen Leuten. Und er wollte es nicht zuletzt deswegen, um die negativen Falschmeldungen zu stoppen, die nach wie vor in der Presse kursierten.
„Yeah, Mike, schon okay... aber du weißt... 100 Millionen ist ne Zahl... hat noch keiner geschafft.“
„Und das ist genau das, was ich nicht hören will!“, quietschte Michael erregt. „Warum soll ich mich nach dem richten, was andere vor mir nicht geschafft haben?“
Die Leute im Meeting sahen sich an. 100 Millionen Tonträger waren ein dicker Otto, selbst in dieser verrückten Welt.
XX / 1988
„Wo will dieser Arsch noch hin? Er wird größenwahnsinnig! Ich glaube, er hat vergessen, wo er herkommt! Er hat alles vergessen. Holt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück...er stellt sich doch so gern als Philanthropen dar... dabei ist er ein egoistischer, scheinheiliger Armleuchter...einer, der meint, er könne mit seinen abstrusen Ideen in eine Welt einbrechen, die ihm nicht gehört...die ihm nie gehören wird...und die ihn nichts angeht.”
Kurz darauf wurde bei Michael, im Zuge der Blutuntersuchungen, eine weitere Krankheit diagnostiziert. Er litt unter Lupus erythematodes, der nicht nur Verstümmelungen in Form eines Schmetterlingserythems im Gesicht auslösen konnte, sondern daneben auch dauerhaften Haarausfall, Entzündungen von Herz, Nieren, Lungen und Hirn, in akut – entzündlichen Schüben. Michael sank das Herz auf Grund, als er die Diagnose vernahm.
Mit zitternden Händen griff er sich in sein noch volles Haar. Schloss die Augen, machte sich bewusst, was das für ihn bedeutete: Entzündungen in der Lunge... Haarausfall... Rheuma und Arthritis in den Gelenken... das war so ziemlich das letzte, was sich ein Tänzer wünschte.
Damit hatte er zwei Auto-Immunkrankheiten. Und der Begriff Auto-Immunkrankheit sprach für sich. Etwas in ihm richtete sich gegen ihn. Sein Körper zerstörte sich selbst.
***
Er wandte sich mir zu und sein Gesicht sprach Bände. Ich schluckte.
„Über Nacht, seit meinem Erfolg mit Thriller, schien sich die ganze Pressewelt gegen mich verschworen zu haben. Es gab kaum noch positive Artikel. Mein drittes Album bekam vernichtende Kritiken, speziell hier in meinem Land, so dass ich wenig Chancen hatte, mein Ziel zu erreichen. In anderen Ländern war die Presse nicht so negativ, im Gegenteil, viele lobten das Album und ich hatte gute Umsätze. Aber hier… hier schien es plötzlich eine Macht zu geben, die beschlossen hatte, mich auszubremsen. Und die Medien machten mit. Jedenfalls stand ab diesem Zeitpunkt nur noch Shit über mich in der Zeitung. Nur noch Shit.“
Sein Mund war eine dünne Linie, seine Stimme war rau. „Es heißt, Amerika ist das Land der unbegrenzten Freiheit, aber das scheint nicht ganz zu stimmen. Was ist mit all denen passiert, die den Profithaien und Machthabern in die Quere funkten? Es ist immer dasselbe Muster. Ich meine, ich bin nicht blöd.“
Mit gerunzelter Stirn hörte ich zu. Meinte er das ernst? War dieses Ding um Michael so
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