Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
mehr.
Er hatte brauchbare Unterstützung.
Der District Attorney, Tom Sneddon, war schon lange hinter diesem schwarzen Popsänger her, der Geld damit verdiente, weil er obszön mit dem Arsch wackelte und sich noch dazu vulgär in den Schritt griff. Wenn er schon mit solchen Dingen berühmt zu werden geruhte...nun da hatte er, Sneddon, doch gleich eine adäquate Steigerung für ihn parat.
Kaum hatte Michael den Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt, erhielt er die Vorladung zu einer Untersuchung der besonderen Art: Er musste sich nackt fotografieren lassen, speziell seinen Genitalbereich, damit festgestellt werden konnte, ob die Beschreibung Jordys mit der Realität übereinstimmte.
Sneddon und Chandler ging es um die Erniedrigung. Und sie gelang ihnen. Michael litt unsäglich, als er sich dieser Prozedur stellen musste und das auch noch durch die Presse ging. Das Wissen, dass die Beamten im District seine Genitalien anschauten, wurde zu seinem ganz persönlichen Alptraum. Er fühlte sich besudelt und beschmutzt.
Und mit Schrecken fiel ihm die Szene ein, als Jordy unvermutet ins Zimmer gekommen und ihm das Handtuch von der Hüfte gerutscht war. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und blieb. Ein Kloß aus Angst und Ohnmacht.
Michael sah sich um und konnte nur noch Leute entdecken, die ihm Böses unterstellten. Die erste Zeit in Amerika verbrachte er fast in Trance. Er sah im TV eigene Tanzszenen, in denen das Crotch grabbing in Zeitlupe gezeigt wurde, das Heben des Beckens, wie es nach vorne drückt, die Hand vor dem Geschlecht, sein offener Mund, die hässlichen Schlagzeilen daneben. Bemerkte schmerzlich, wie Leute ihn mieden, wie Radiosender seine Songs nicht mehr spielten, wie die amerikanische Bevölkerung ihn verurteilte und anfeindete.
Ein Tsunami an negativen, hasserfüllten Emotionen regnete auf ihn nieder.
Und die moderne Inquisition, die Medien, sensationsgierig, blutrünstig, spielten ihre Hauptrolle in diesem Drama. Es ist untragbar, was im Journalismus, der sich doch der Berichterstattung verschrieben hatte, getrieben werden durfte. Michael Jackson wurde in den Augen der Öffentlichkeit auf ewige Zeit gebrandmarkt, geteert und gefedert – des Amusements wegen. Damit die Leute zuhause in ihren langweiligen Wohnzimmern etwas zu lesen hatten. Damit einige die Karriereleiter ein Stückchen höher klettern konnten. Damit manche Reporter und Moderatoren ihr sinnleeres Leben mit der Aufgabe füllten, ihren eigenen, inneren Hass einem anderen überzustülpen. Damit sie sich ein sorgloses Leben mit dem Geld und Ruin eines anderen machen konnten. Grund genug, ein Menschenleben zu foltern und zu vernichten.
Chandler hatte sein Versprechen wahr gemacht: Er hatte Jackson bis in die tiefsten Gründe seiner Seele gedemütigt. Und ein Ende war nicht abzusehen.
Notausgang
„Mir war klar, dass Chandler keine Ruhe geben würde, bis er das Geld hatte“, erzählte Mike leise. „Und was ich damals zu ahnen begann, was mir auch der eine oder andere Informant steckte, war, dass dahinter viel mehr war, als es den Anschein hatte.“
Mit desillusionierten Augen sah er mich an.
„Sie sagten, es wäre eine Kampagne gegen mich im Gang, in der Evan lediglich die Gallionsfigur spiele. Alles war so verworren. Jeden Tag wurden mir andere Vermutungen, andere Gerüchte, neue Gemeinheiten zugetragen, die wahr sein konnten oder auch nicht. Ich...ich stak mitten im Sumpf, wusste nicht mehr, was ich glauben sollte, wer Recht hatte, wer nicht. Keiner wusste das in dieser Zeit.”
Er biss sich auf die Lippen, wandte den Blick nach vorne.
„Ich...lief Gefahr, alles zu verlieren.“
Wieder presste er die Lippen zusammen. Ungesagte Worte, Gedanken malten mir seine Angstvisionen von damals in den Äther.
„Mein Herz tat so weh“, flüsterte er. „Es schlug nicht mehr regelmäßig. Damals...damals fing es an…“
Er schluckte, seine Halsmuskeln wurden starr, dann ließ er den Kopf nach unten sinken. Unwillkürlich hielt ich die Luft an. Michael sagte lange nichts. Ich musste mich anstrengen, ihn zu verstehen, als er fortfuhr.
„...seit damals kommen Morddrohungen...ins Haus. Jemand schwor mir, mich umzubringen, mich, den Kinderschänder. Keiner wusste, wie diese Briefe, Notizen, Zettel, teilweise Nachrichten, mit Lippenstift auf meinen Badespiegel geschrieben, zu mir gelangen konnten. Es hätte im Prinzip jeder in meiner Crew sein können. Ich wusste nicht mehr, wem ich trauen, wem ich unbedacht meinen Rücken zuwenden
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