Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
wollte eine eigene Familie. Urplötzlich kam es mir wie eine Offenbarung, dass das genau das Richtige für mich ist. Meine Familie. Und dass Lisa genau zu diesem Zeitpunkt in mein Leben trat, empfand ich als Fügung Gottes.“
Aber das war nur ein Grund, diese Beziehung einzugehen. Es gab tausend Gründe - und der wichtigste war, dass Michael Lisa aufrichtig liebte.
***
„Lisa, ich möchte dir danken, dass du zu mir stehst...dass du...“ er war noch auf Tour, rief aus dem Ausland an, seine Stimme schwankte. Nicht nur aus Rührung, auch, weil er mit painkillern vollgestopft war, um sich über Tag zu retten.
„Nichts zu danken, Alter. Fuck the media!“
„Ja, Fuck the media!“, sagte Michael schwach und plötzlich wurde ihm furchtbar übel. Er dachte: „Oh, Gott, nicht schon wieder...“, hielt die Hand über den Hörer, damit Lisa sein Keuchen nicht hörte. Schweiß trat ihm auf die Stirn, angestrengt versuchte er, den hochdrängenden Mageninhalt unten zu halten.
Lisa erzählte ihm irgendwas. Ihre Worte fluteten in seinem Ohr auf und ab, lauter und leiser...er verstand sie... verstand sie nicht...verstand sie...verstand sie nicht... mit äußerster Anstrengung warf er von Zeit zu Zeit einen Brocken ein, um den Eindruck zu erwecken, er höre zu. Fest umklammerte seine Hand den Hörer, bis die Knöchel weiß hervor traten. In seinem Kopf drehte sich alles und er vergaß, die Hand auf die Sprechmuschel zu drücken.
„Michael?“, Lisa stoppte abrupt. „Michael, ist alles okay?“
„A...alles oookaayyy....“, brachte er hervor, dann hörte Lisa nur noch einen Knall, hörte, wie Michael in seinem Sturz etwas zu Boden riss, hörte ihn wimmern und sie schloss entsetzt die Augen. Ein Bodyguard übernahm, beendete das Gespräch, ließ Lisa allein mit ihren Gedanken. Das war das dritte ihrer Gespräche, das diesen Ausgang fand.
Sie konnte Michael aus ihren Gedanken nicht mehr verbannen. Er hatte etwas an sich, was sie betörte, etwas, womit sie nicht gerechnet hatte. Auf der ganzen Welt war ihr noch keine Person begegnet, die gegensätzlicher war.
A ls im Februar 1992 ein gemeinsamer Freund sie zum Abendessen eingeladen und ihr eröffnet hatte, Michael Jackson sei ihr Tischpartner, hatte sie gelacht. Was hatte sie erwartet? Das, was ihr die Presse vorgegeben hatte? Wahlweise einen Asexuellen, Schwulen, eine männliche Jungfrau mit kindhaftem Getue oder einen abgehobenen Egomanen, der seine Macken zum Image erhob? Unvermutet war ihr ein Mann mit tiefem Blick gegenübergestanden, einem Mann, der Sinnlichkeit aus jeder Pore transpirierte, der mit einem Blick ihr Herz Slalom fahren ließ.
Ja, was hatte sie erwartet? Alles, nur nicht das. Und überdies konnte Lisa bei Michael das fühlen, was viele sensitive Menschen in seiner Gegenwart empfanden: etwas Hohes, etwas Großes, irgendetwas schwang mit ihm, etwas, was sie unendlich faszinierte. Gleichzeitig kam er ihr zerbrechlich vor und verletzlich. Er war wie etwas Kostbares, etwas, was es zu beschützen galt in dieser so aggressiven und lieblosen Welt. Ihr Herz schwang mit ihm und erweckte den Wunsch und den Glauben an die Kraft, dieses Kleinod vor allem Übel bewahren zu können.
Szenen aus ihrer Kindheit liefen in ihrem Gehirn ab wie in einem Film. Ihr Vater und der Badeschrank voller Tuben, Päckchen und Döschen. Tausende von Pillen. Oh, dieser Schrank! Ihr Vater davor, sich auf den Waschtisch aufstützend. Das Wasser rauscht. Unbeachtet, nutzlos, von der Quelle in den Abfluss. Ihr Vater bemerkt es nicht. Steht vor diesem Schrank, betrachtet sich im Spiegel. Aufgedunsen. Auf die Pillen stierend, sich eine Handvoll in den Mund stopfend. Auf den Boden stürzend. Sich übergebend. Sich windend, in Qual. Stöhnend. Ihr eigenes Schreien. Wie hatte sie gehofft, dass dieses Stöhnen ein Ende fand! Und es hatte ein Ende gefunden. Ganz plötzlich. Arme und Hände, die sie so sicher gehalten hatten, sanken widerstandslos neben den Körper. Leblos die weichen Lippen, die sie liebevoll geküsst hatten. Und dann auf einmal, die Gewissheit, die so verdammt sichere Gewissheit: Vor ihr liegt nur noch unbeseelte Materie, kein Wort, keine Geste mehr für sie.
Damals war sie ein kleines Kind gewesen. Damals hatte sie nicht helfen können.
Aber nun...nun war sie keine neun mehr. Und sie wollte nicht, dass das Gleiche wieder geschah. Sie wollte sich nicht mehr ohnmächtig fühlen. Diesmal würde sie rechtzeitig da sein. Diesmal würde sie wissen, was zu tun war, um zu
Weitere Kostenlose Bücher