Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
stapelten sich in den Eingangs -und Ausgangskörben und wurden in Höchstfall in einer abschließbaren Schreibtischschublade verwahrt. Nicht aber im Tresor. Es musste ein wichtiges Gutachten sein.
Sein Chef hatte es eilig. Über die Schulter hinweg rief er ihm noch zu:
„Ach ja, Blumfeld, bevor Sie gehen: Wechseln Sie den schwarzen Toner im Kopiergerät aus. Die Patrone ist leer.“
Das Grau leuchtete geradezu hervor aus all dem üblichen Beige-Gelb, das sonst benutzt wurde. Als Blumfeld sicher war, der letzte im Büro zu sein, öffnete er den Deckel und las sich ein.
Diesmal war es ein echtes Gutachten und kein „was wäre, wenn.” Diesmal waren Namen erwähnt, bekam alles ein sehr unschönes Gesicht: Es war ein Bericht von Jordy Chandler, der detailliert beschrieb, wie Michael Jackson ihn missbraucht hatte.
Blumfeld wurde schwarz vor Augen. Jackson, ein Krimineller? Mit zwiespältigen Gefühlen legte er die Akte in den Tresor, speicherte seine Dokumente und wollte gehen. In letzter Sekunde fiel ihm der Kopierer ein.
Fluchend legte er Mantel und Schlüssel auf die Theke, holte eine Tonerpatrone und ging in das Zimmer seines Chefs. Er wechselte die Patrone, der Kopierer machte einen Testdurchlauf. Brav wartete Blumfeld bis das Papier herauskam. Mit ihm unverständlichem Frust zerknüllte er die Testseite und warf sie zusammen mit der leeren Patrone heftig in den Papierkorb. Der schaukelte durch die Wucht bedenklich hin und her. Blumfeld beobachtete den Eimer wie in Zeitlupe, als ob sein Schicksal davon abhinge, und schließlich fiel er um. Papier und Müll ergoss sich auf den Boden.
„Was ist das für eine Scheiße!“, brüllte Sky unbeherrscht und wunderte sich über sich selbst. Er war doch sonst immer die Ruhe in Person! Seit wann brachte ihn ein umgefallener Mülleimer aus der Fassung? Wütend stopfte er die Papiere wieder zurück, als ihm mit einem Mal bewusst wurde, was ihm seine Gemütsruhe raubte: Er wollte nicht daran glauben, dass Michael Jackson ein Perversling war. Ihm war, als hätte ihm einer gesagt, dass Beth ihn mit seinem besten Freund betröge. Er wollte es nicht glauben. Aber der Bericht war so eindeutig! Mit zwei, drei Blättern in der Hand verharrte er gedankenverloren zwei Sekunden vor dem Eimer. Dann schüttelte er den Kopf, stopfte die Papiere hinein - und zog sie sofort wieder heraus. Sie kamen ihm bekannt vor. Es waren zwei Seiten von Jordys Aussage, halb unleserlich, da die Patrone ihren Geist aufgegeben hatte. Die Akte war kopiert worden.
Und dann handelte er ganz schnell. Er ging an den Tresor, holte das Dokument erneut heraus und fotokopierte es für sich.
Manchmal, so dachte er, bestimmt eine Reihe von Zufällen das Schicksal der Menschen. Er war an diesem Abend konfus und aufgewühlt und beschloss, einen kleinen Umweg zu machen, um etwas länger Zeit zum Nachdenken zu haben, bis er zuhause ankam.
Die Form des Zufalls, der ihm auf diesem Umweg begegnete, bestand aus zwei graubetuchten Hosenbeinen, auf die er starrte, während er auf den Bus wartete. Bevor er den Mann erkannte, erkannte er den Ordner. Es war der mit der eingedrückten Kante.
Wie ferngesteuert lief Sky dem Mann mit dem lichten Haar hinterher und folgte ihm in eine Bar. Blumfeld drückte sich in eine Ecke, mit Sicht auf sein Zielobjekt, bestellte ein Bier, schnorrte eine Zigarette, starrte auf das Bierglas und spitzte die Ohren.
Eine Frau in einem dunkelblauen Kostüm kam herein. Sie wirkte nervös, hippelig, aufgeregt. Unangenehm gierig grabschte sie nach dem Ordner, als ob es ihr Tagebuch wäre. Er wusste, wer das war. Es war Diane Dimond, bekannte Hetzreporterin, bekannt für übereifrigen Ehrgeiz – um es elegant auszudrücken. Sie presste die Akte an sich wie ein Baby.
Am nächsten Tag schon stand die Story im „Hard Copy“ und ging von da an um die ganze Welt. Er konnte sich vorstellen, dass die Frau eine Menge Geld damit verdient hatte. Was er nicht verstehen konnte, war, warum sein Chef diese Akte freigegeben hatte. Es war rechtswidrig.
Zwei, drei Jahre zuvor, 1990/91
Eine ausgemergelte, auf 46 Kilogramm abgemagerte Beth hielt sich am kalten Rohrgestell eines Krankenhausbettes fest. Ihre Augen schwammen in Tränen, starrten blind vor sich hin, versuchten, das Gehörte zu verarbeiten. Sky stand neben ihr. Seine Knie zitterten. Er konnte seiner Frau nicht helfen. Seine Knie waren so weich, dass sie nachgaben. Er musste sich setzen.
Vor ihnen stand ein in grüne OP-Tracht gekleideter,
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