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Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Titel: Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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verursacht. Es ist, als ob die schwarze Energie der unseligen Muster mit einem Knall die Körperzellen verlässt … aber, verdammt, noch mal, was konnte ich tun? Entsetzt starrte ich ihn an.
    Michael keuchte immer lauter und krampfte sich urplötzlich zusammen, als ob er einen Herzanfall bekäme. Erschrocken machte ich einen Schritt auf ihn zu und erstarrte erneut. Er schrie auf, fiel auf die Knie und hob abwehrend die Hand, als sei ich Luzifer persönlich. Dann sah es aus, als hätte er Schüttelfrost. Seine Arme umschlangen seinen Körper, rieben seine Beine, er klapperte und winselte wie ein kleiner Junge, der komplett unter Schock stand.
    Ich konnte mich nicht rühren, nicht einen Finger, nicht die heruntergefallene Decke über ihn ziehen, nicht den Arm um ihn legen, nicht ein Wort der Beruhigung ging mir über die Lippen. Versteinert stand ich ihm gegenüber und beobachtete ihn wie einen an die äußerste Grenze aufgeblasenen Ballon, dessen Außenhaut so gespannt war, dass sie unter dem Druck ächzte und stöhnte. Unwillkürlich zog ich die Schultern hoch in Erwartung der gewaltsamen Entladung, deren Folgen keiner von uns abschätzen konnte und auf die ich doch instinktiv hoffte.
    Und dann platzte er. Gellend schrie er auf und fiel in sich zusammen. Meine Arme griffen zu und umschlangen ihn, hielten diesen schmalen, zerbrechlichen Körper. Tränen strömten ihm monsunartig über das Gesicht. Er stöhnte und schluchzte und weinte und schüttelte sich spastisch. Er wurde so durchgebeutelt, dass ich Mühe hatte, ihn zu halten. Michael heulte und schrie sich die Seele aus dem Leib. Er brabbelte wie ein Kind, Wortfetzen aus der Vergangenheit, stammelnde Erlebnisse, innerste Ängste. Er brüllte sich das Elend aus dem Herzen, aus jeder einzelnen Zelle und das Wasser seiner Tränen spülte Wagenladungen schwarzer Schlieren aus. Oh, er weinte so lange, so heftig, so herzzerreißend, sich selbst erlösend. Stunden.
    Ich hatte die Decke, so gut es ging, wieder um ihn gelegt und hielt ihn. Beide saßen wir am Boden. Konvulsivische Weinkrämpfe schüttelten ihn immer und immer wieder und die Tränen flossen und flossen. Er hatte aufgehört zu schreien, schluchzte nur noch, flüsterte, klagte, schmiegte sich an mich, wie ein Baby. Ich konnte nichts tun, außer, ihn halten.
    Und endlich, endlich, änderte sich etwas: Es wurde leichter. Er wurde weicher, sein Weinen klang anders, erlösend, reinigend, sein Körper entkrampfte sich. Wir kauerten auf dem Boden, ich hielt Michael wie ein Kind in meinen Armen. Es fing an zu dämmern und noch immer strömten Tränen in Bächen aus ihm heraus, aber ich war glücklich wie nach der Geburt eines Kindes. Sanft streichelte ich ihm immer wieder über die Wangen, flüsterte sachte Liebkosungen und war so dankbar, dass Michael diesen gewaltigen Mut gehabt hatte, dies zuzulassen.
    Es war seine Geburt. Es war eine Öffnung und ich hoffte, er würde hindurchgehen – auf die andere Seite des Lebens.
    Grace kam. Plötzlich war sie da. Still stand sie wie ein Wächter neben einem Baum, ich weiß nicht, wie lange sie dahinter ausgeharrt hatte. Auch ihre Augen und Wangen waren tränenüberströmt. Von Michael kamen nur noch einzelne Schluchzer und bleierne Müdigkeit erfasste ihn. Als ich aufsah, standen hinter Grace in respektablem Abstand Bob, Jason und noch ein paar Leute, schniefend, hilflos, stumm.
    Grace und ich nahmen Michaels schmalen Körper zwischen uns und brachten ihn auf sein Zimmer.
    „Grace, er muss duschen... und bleib heute Nacht bei ihm“, flüsterte ich, „Er wird dich brauchen“.
    Erschöpft ging ich in mein Zimmer und sah aus dem Fenster.
    Die Nacht war endgültig gewichen. Das Licht dominierte. Die Sonne ging auf.
    ***
    Am nächsten Tag kam Grace vor dem Frühstück in die Küche. Und wie immer, wenn sie das tat, versteifte sich Linda, weil sie wusste, dass dies nur vorkam, wenn etwas Unangenehmes vorgefallen war. Unbehaglich registrierte sie, wie Graces Blick auf mich fiel, und wie ich, ängstlich abwartend, diesen Blick erwiderte.
    Dann rauschte sie so schnell auf mich zu, dass Linda einen Laut des Erschreckens ausstieß. Ich legte das Geschirrtuch weg und sah Grace mit der Frage in die Augen, die mich den ganzen Morgen schon unter Spannung gehalten hatte. In Graces Augen glitzerten Tränen, sie breitete die Arme aus und wir fielen uns um den Hals.
    „Er schläft“, flüsterte sie in mein Ohr, „er schläft!“
    Ich drückte sie umso fester und vergrub mein Gesicht

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