Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
nicht!“
„Bist du doch!“, rief ich und warf mein Kissen nach ihm. Michael fing es auf und ich wartete auf sein berühmtes Giggeln. Zwei Sekunden später war es soweit und er warf das Kissen zurück. Oh, was für ein wunderbarer Kerl er doch war! So leicht auf die freudvolle Seite zu ziehen! Er lachte sich kringelig, weil seine Kissenbombe meine Teetasse getroffen hatte und der Inhalt sich auf meinen Fuß ergoss.
„Mist!“, schimpfte ich und zog beide Socken aus.
„Na, los!“, rief er. „Das Wort! Und obendrein ist es…?“
„Und obendrein ist es scheinheilig!“, rief ich und sah ihn fast trotzig an.
„Scheinheilig!“, ächzte Michael ehrlich entsetzt. „Willst du damit sagen, ich bin scheinheilig?“
„Michael“, antwortete ich und setzte mich auf. „Ich bin kaum je einem Menschen begegnet, der eine so tiefe und echte Liebe ausstrahlt wie du. So… kindlich, so rein, so pur… es ist geradezu unglaublich! Es tut so gut, mit dir zusammen zu sein! Wow! Ich meine...es ist ... einfach wunderschön! Die reinste Freude! Ich bin dermaßen begeistert von dir – ich kann das gar nicht ausdrücken... und ich war wirklich mit vielen, außergewöhnlichen Menschen zusammen...“
Michael entspannte sich, seine Schultern bewegten sich leicht nach unten. Oh, er war so empfänglich für Komplimente!
„Aber gleichzeitig bin ich noch nie einem traurigeren begegnet“, fuhr ich fort, „einem, der so spürbar viel Leid in sich trägt.“
Obwohl er zusammenzuckte, sah er mich weiterhin fest an.
„Das ist eine tiefe Diskrepanz, Michael“, sagte ich. „eine Diskrepanz, die die Menschen spüren. Wie soll ein Mensch, der selber so unglücklich ist, die Welt ein Stückchen besser machen können? Sie glauben es dir nicht. Sie können es nicht glauben, weil sie tief innen wissen, dass das nicht geht. Vielleicht ist das eines der Missverständnisse.“
„Aber…es gibt Menschen, die wollen mich nicht glücklich sein lassen“, flüsterte Michael. „Einfach aus Neid und Gier...Glaub mir, es gibt ganz schreckliche Menschen, die das verhindern wollen, die…“
Er war erstarrt. Blind stierte er vor sich hin, ins Nirgendwo.
Es war schwer für mich, auf meiner Linie zu bleiben. Wer wusste nicht, dass das Musikbusiness ein Haifischbecken war - das Michael nun wirklich besser kannte als eine unbedarfte Touristin aus einer deutschen Provinzecke.
Fast widerstrebend sprach ich aus, was in mir hochkam, als ob ich es selbst nicht wirklich glauben mochte:
„Wenn du eine spirituelle Antwort suchst... kann es letztendlich nur einen geben, der das verhindert. Und das bist du. Alle anderen sind nur ein Spiegel deiner Seele. Warum sind schreckliche Menschen in deinem Leben? Warum lässt du die an dich ran? Leid zieht Leid an. Schau nach innen und du wirst die Lösung finden.“
Michael saß vor mir, die großen Füße in weißen Socken, die Zehen verkrampft, der ganze Körper in Abwehrhaltung. Ein unglückliches Kind.
Ich beugte mich vor und diesmal strich ich ihm die Haarsträhne aus seinem weißen Gesicht, die vor seinen so wundervollen Augen hing. Er fing an zu zittern, und eine Träne lief langsam seine Wange hinunter. Mein Herz tat mir weh bei seinem Anblick. Ich traute mich nicht, den Arm um ihn zu legen. Das, was ich gesagt hatte, war nicht das, was er hatte hören wollen. Er hätte eine andere Botschaft erhofft...ich wusste es, ich wusste auch welche, aber ob die ihm weitergeholfen hätte, wagte ich zu bezweifeln.
Michael saß in einer innerlich bebenden Starre. Innen tobte der Aufruhr, aber sein Gesicht war ausdruckslos, die Unterlippe vorgeschoben. Dann nahm er seine Sonnenbrille und setzte sie langsam auf.
Mir rutschte das Herz in die Hose.
„Möchtest du allein sein?“, fragte ich mit einem Kloß im Hals.
Michael nickte.
Bedrückt stand ich auf und ging.
Er lief. Ein Teil seiner Schlafzimmerflucht lag ziemlich genau über meinem Zimmer. Und so hörte ich ihn laufen. Ununterbrochen. Klack, klack, Klack...die Absätze seiner Stiefeletten. Manchmal schien er zu stampfen oder etwas weg zu kicken. Ich machte mir Vorwürfe. Ich war viel zu hart, zu direkt gewesen, etwas, was mir dauernd passierte. Ich spürte etwas und sagte es. Mein schlechtes Gewissen rumorte in mir. Hellwach lag ich im Bett und hörte, wie Michael lief. Er lief und lief und lief. Hin und her. Im Kreis. Rotierende Gedanken, die seine Insomnie verursachten.
Ich wurde fast wahnsinnig in meinem Zimmer. Wie lange würde er noch seine Kreise
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