Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
gemeint habe mit ‚mach dich glücklich’!“
„Indem ich Granaten auf andere werfe?“
„Indem du dir eine Umgebung schaffst, die dir gut tut! Indem du dir diese Scheiße nicht wert bist! Was lässt du dieses Pack in dein Haus? Verzeihen kommt später, sag das deinem Bekannten!“
Wie konnte man nur so einen Schwachsinn verzapfen? Ich meine, letztendlich geht es schon darum, zu verzeihen, aber wie sollte das Michael ohne die notwendigen Zwischenschritte tun? Ohne endlich mal seiner Wut freien Lauf gelassen zu haben? Diese Wut würde immer die Mauer vor dem Verzeihen sein und ihm außerdem noch das Gefühl des Versagens geben, weil er es nicht schaffte, ein so guter Mensch zu sein, wie er doch so gerne sein wollte.
Noch immer stand Michaels Mund offen und ich musste lachen.
„Hey, Michael, altes Haus“, sagte ich und stupste ihn an. „Ich glaube nicht, dass der Sinn dieser Erfahrung vorrangig das Verzeihen ist. Das kommt, wenn man es durchschaut hat, von allein. Diese Leute, die dich da reingeritten haben, sind Ekelpakete. Da beißt die Maus keinen Faden ab.“
Michael schüttelte verständnislos den Kopf.
„Aber du hast vorhin gesagt, dass all die Menschen, die einem Schmerz zufügen, einen Sinn haben. Und jetzt… jetzt…hasse ich ein Kind... .“
„Na, und? Das geht vorbei. Hass ist nichts Gutes, da hast du Recht. Aber es ist gut, dass du zugibst, dass du ein Kind hasst. Du wirst über diesen Punkt irgendwann hinweg kommen… aber gib dir Zeit. Du verstehst nicht, warum dir all das passiert ist. Wie sollst du dann verzeihen? Das ist ein langer Weg.“
„Was ist daran gut, ein Kind zu hassen?“, fragte er.
„Es ist nicht generell gut. Es ist für dich gut. Weil du immer zwischen Erwachsenen und Kindern polarisierst. Die einen waren gut, die anderen schlecht. Wenn du allein das durchbrichst, hast du vielleicht schon was gewonnen.“
„Trotzdem…“ sagte er. „ …ich sehe bei Kindern etwas, was ich bei Erwachsenen so gut wie nie sehe…und das, was ich sehe, ist da. Es ist definitiv da! Ich kann es sehen! Und spüren! Mit Erwachsenen, die das haben, komme ich auch sehr gut zurecht. Ich polarisiere nicht.“
„Was ist das, was du siehst?“
„Ich sehe ihre Reinheit, diese Unschuld…“
Wie oft hatte er diese Worte schon in Interviews von sich gegeben! Wie oft hatten die Journalisten die Augen gen Decke gedreht! Und dennoch hielt er daran fest.
„In welcher Form siehst du das?“
Zögernd antwortete er. „Wie einen Lichtschimmer um sie herum. Es ist wie ein helles Licht, es ist, als ob Strahlen von den Kindern ausgehen. Und das ist eine Form von Energie, in der ich mich unglaublich wohl fühle. Und die Erwachsene nicht haben. Die meisten nicht. Und das ist so.“
„Du bist aurasichtig“, konstatierte ich. Und als er sich mir zuwandte, erkannte ich, dass er das wusste. Dass er aber damit rein gar nichts anfangen konnte. Er wusste nur, dass die Aura der Kinder die gleiche war, die er um sich hatte. Es war jene Energie, in der er Ruhe fand, in der er sich aufladen konnte. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Kinder unter fünf Jahren permanent im Alpha-Modus schwingen bis ihre Fontanelle sich schließt. Es stimmte, was Michael sagte, dass Kinder Zugang zum sogenannten Nullpunkt- oder Quantenfeld hatten, was Erwachsenen nur im Zustand erweiterten Bewusstseins möglich war – einen Zustand, den Michael allerdings problemlos abrufen konnte.
„Wenn Babys auf die Welt kommen, ist diese Verbindung mit dem Göttlichen so stark“, sagte er. „Ich würde am liebsten Geburtshelfer sein...stell dir vor, diese Leute sind dauernd in dieser Energie...Babys…haben all dies noch…aber sie haben nur ein paar Jahre, nur ein paar Jahre, bis sie es verlieren.“
Gequält sah er mich an. Da saß er. Er, der diese Energie nie verloren hatte. Ein Mensch, der diesen Kanal, der bei so vielen von uns verschüttet ist, so frei, so verfügbar hatte für die Botschaften der Harmonien, der Melodien. Er, der diese Energie für uns sichtbar machte, in Musik und Tanz. Der immer betonte, dass das wichtigste die Demut sei. Und daher Komplimente weit von sich wies, weil er wusste, es ist Gott, der in ihm tanzt, es ist Gott, der ihm die Melodien eingibt. Und weil Kinder Gott noch so nahe waren, suchte er ihre Nähe, suchte er ihre und seine Quelle und gab offen zu, dass es die Kinder seien, die ihn zu Liedern, zu Texten, zu Tänzen, zum Ausdruck seiner Kreativität inspirierten. Es war nicht so, dass er nicht
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