Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
erwachsen werden wollte. Es war eher so, dass er dieses Licht, diesen Zugang nicht verlieren wollte.
Und da waren wir, sein Publikum. Wir ahnten mehr als dass wir wussten, welche Größe uns da gegenüber stand. Wir fühlten, dass das, was Michael auf die Bühne brachte, mehr war, als die Summe seiner Teile. Wir bekamen eine Ahnung von Ewigkeit, Schönheit, Vollkommenheit, wenn wir ihn singen, wenn wir ihn tanzen sahen, weil er, während er es tat, in direkter Verbindung zu dem stand, wonach wir alle streben.
„Irgendwann verfallen die Kinder der Welt und den Werten der Erwachsenen“, fuhr Michael nach langer Zeit des Schweigens fort. „Und dann sind sie verdorben, konditioniert vom Verstand. Die meisten für immer und ewig.“
Das stimmte. Viele der Erwachsenen hatten ihre innere Unschuld, ihr inneres Kind verloren. Irgendwann ging es nur noch um Karriere, die eigene Wichtigkeit, Geld und die Befriedigung von Bedürfnissen. Daran wurde das Glück festgemacht und nur daran. War es ein Wunder, dass Michael Peter Pan als Vorbild hatte? Und von einer Welt träumte, in der Vertrauen und Liebe herrschten? Wünschten wir uns das nicht alle? War es nicht sehr bezeichnend für unsere Welt, diese Gedanken als lächerlich abzutun?
„Aber du hast doch erwachsene Freunde“, wagte ich mich vor.
„Ja, das sind die wenigen, die sich das Kindsein bewahrt haben“, antwortete er.„Liz, auch Grace, Frank, Karen…ein paar wenige…und du... du hast das auch.“
„Michael…“, sagte ich zögernd. „ auch, wenn das heute vielleicht kein so guter Anfang war...bitte gib dir die Chance, dein Leben zu verstehen. Lass uns deine Geschichte auseinander dröseln. Ich weiß auch nicht, was dabei rauskommt, aber es muss etwas da sein, das deine Probleme auslöst. Vielleicht finden wir es.“
Michael nickte, zögernd. Und dieses Zögern machte mir klar, dass er kurz vor dem Switch zum Misstrauen stand. Verständlicherweise. Ich meine, wer war ich? Jemand, der Müslimuffins buk, jemand, den er nicht kannte. Jemand, der morgen schon zur Presse gehen konnte.
Doch eine Sekunde später schenkte er mir ein warmes, herzliches Lächeln. Dieses zauberhafte Lächeln, das den Charme der gesamten Welt in sich trug. Diesmal war er es, der mir eine Strähne aus dem Gesicht strich.
„Das machen wir, Scheherazade“, sagte er, „vielleicht finden wir ja wirklich etwas. Wir sehen uns morgen. Gute Nacht.”
***
Grace ließ sich in der Regel selten in der Küche blicken. Schon gar nicht zur Frühstückszeit.
Diesmal kam sie vor dem Frühstück in die Küche, öffnete den Kühlschrank, schaute hinein, holte nichts heraus, schloss ihn geräuschvoll und ging zurück ins Esszimmer, nicht, ohne mir vorher einen langen Blick zugeworfen zu haben. Sie kam auch nach dem Frühstück mit dem gebrauchten Geschirr herein, was eigentlich Lindas oder meine Aufgabe war. Und wieder sah sie mich an. Forschend, misstrauisch, warnend.
Dann begann sie ein oberflächliches Gespräch mit Linda, wobei sie eine Position wählte, die ihr die Möglichkeit gab, mich zu fixieren. Ich stand am Fenster und schälte Äpfel - inzwischen gab es einmal pro Woche einen Apfelstrudeltag. Linda hätte nicht sagen können, ob Grace auf mich schaute oder durch das Fenster.
Mir war das unangenehm. Ich wusste, dass sie eng mit Michael verbunden war – auf welche Weise auch immer – und sie etwas für Michael empfand – wer tat das nicht? Und sie hatte allein dadurch schon eine starke Bindung, da sie praktisch die Mutter seiner Kinder war. Michael ging auf genau diese Weise mit ihr um. Er schäkerte mit ihr, berührte sie, strich ihr manchmal über den Rücken – und stritt sich mit ihr.
Wenn ich Michael etwas wünschte, dann wäre es eine Frau, die stark war wie Grace, die ihn liebte, die mit ihm die schlaflosen Nächte teilte, die für ihn da war, die ihm diese Einsamkeit nahm. Ich wusste nicht, ob Grace es war, für die sein Herz schlug. Ob es überhaupt jemanden gab.
Grace Blicke brannten auf meinem Rücken und als es mir zu blöd wurde, drehte ich mich einfach um und sah ihr in die Augen.
Der Ausdruck in den ihren war eine offene Drohung. Nachdem sie sicher war, dass ich diese in voller Bedeutung wahrgenommen hatte, drehte sie sich um, packte Linda am Arm und zog sie für eine Besprechung nach draußen.
Michael hatte gesagt. „Bis morgen.“
Der Abend kam. Die Kinder waren im Bett, die Küche war aufgeräumt, die Nacht hereingebrochen. Er tauchte nicht auf.
Ich saß
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