TS 12: Unternehmen Schwerkraft
Körperlänge fallen kann, ohne sich zu verletzen. Seht doch selbst: wenn er wie wir die Höhe empfinden würde, wie könnte er dann fliegen.“
Ob Barlennans Zuhörer seine Rede voll verstanden oder glaubten, mochte dahingestellt bleiben. Zumindest aber wurden sie von ihrem Vorhaben gegenüber Lackland abgelenkt. Erneut erhob sich ein leises Raunen, doch jetzt nicht mehr aus Ärger, sondern aus Verwunderung. Allein Dondragmer stand ein wenig abseits von den übrigen und verharrte in Schweigen. Der Kapitän war sich darüber klar, daß er dem Maat einen weit genaueren Bericht über die Vorgänge geben mußte, wenn er nicht dessen Vertrauen verlieren wollte. Doch das hatte bis später Zeit; das vordringliche Problem war, mit der Mannschaft fertig zu werden.
„Sind die Jagdabteilungen bereit?“ Barlennans Frage unterbrach erneut das Stimmengewirr.
„Wir haben noch nicht gegessen“, antwortete Merkoos ein wenig verlegen. „Alles andere – Netze und Waffen – ist einsatzbereit.“
„Und ist das Essen fertig?“
„In einem Tag, Kapitän.“ Karondrasee, der Koch, kroch zum Schiff zurück, ohne einen weiteren Befehl abzuwarten.
„Don und Merkoos, jeder von euch nimmt eines von diesen Radios. Ihr habt gesehen, wie ich den Apparat auf dem Schiff gebrauche. Alles, was ihr zu tun habt, ist, irgendwo in seiner Nähe zu sprechen. Ich weiß noch nicht, ob ich euch meine weiteren Befehle vom Schiff aus geben werde. Ich habe bemerkt, daß man von dem Dach dieses Fahrzeugs einen ausgezeichneten Rundblick hat. Falls der Flieger einverstanden ist, werden wir euch damit in das Operationsgebiet begleiten.“
„Aber Kapitän“, entfuhr es Dondragmer, „wird … wird nicht alles Wild durch den Anblick der Maschine verscheucht werden? Auch hört man sie auf hundert Meter kommen. Und außerdem …“ Er unterbrach sich, da er nicht wußte, wie er seinen Haupteinwand vorbringen sollte.
Barlennan tat es an seiner Stelle. „Außerdem könntet ihr euch wahrscheinlich nicht auf die Jagd konzentrieren, wenn ihr mich in so großer Höhe sehen würdet – ist es das?“ Durch öffnen und Schließen seiner Klaue bekundete der Maat seine Zustimmung, und die anderen eiferten ihm nach.
„Nun gut, Don. Ich gebe dieses Vorhaben auf. Möglicherweise hast du recht. Ich bleibe außer Sichtweite, werde jedoch mit euch in Radioverbindung stehen.“
„So wollt Ihr, Kapitän, noch einmal mit der Maschine fahren? Was ist mit Euch? Auch ich könnte mir zwar einreden, daß ein Fall aus dieser Höhe hier am Rande der Welt wenig bedeutet. Dennoch würde ich eine solche Situation niemals heraufbeschwören.“
„Don, wenn ich recht gesehen habe, warst auch du kürzlich mit demKopf eine volle Körperlänge über dem Boden“, entgegnete Barlennan trocken.
„Das war etwas anderes“, entgegnete Dondragmer ein wenig verlegen. „Ich war mit einem Körperende auf dem Deck.“
„So hätte dein Kopf eine volle Körperlänge fallen können. Und ich habe sehr wohl bemerkt, daß andere unter euch sich ähnlich verhalten haben. Ihr werdet euch erinnern, daß ich euch dazu verschiedenes gesagt habe, als wir zum erstenmal in dieses Gebiet segelten.“
„Ja, Kapitän, das tatet Ihr. Sind diese Anordnungen noch in Kraft, da ja …“ Wiederum unterbrach sich der Maat; aber was er sagen wollte, war diesmal noch klarer als zuvor. Barlennan dachte angestrengt nach. Er sah sich zu einer Entscheidung gedrängt.
„Wir lassen diese Anordnung fallen“, sagte er bedächtig. „Der Grund, warum ich sie gab, liegt auf der Hand. Niemand sollte sich Handlungen angewöhnen, die in den Gebieten normaler Schwere unweigerlich zu Unfällen führen. Wenn wir in diese Gebiete zurückkehren, wird jeder auf sich selber achten müssen und trägt für sich allein die Verantwortung. Hier hingegen mag jeder nach eigenem Ermessen handeln. Will mich jemand auf meiner Fahrt begleiten?“
Ein einstimmiger Chor von Worten und Gesten bekundete entschiedene Ablehnung.
„Dann also macht euch fertig für die Jagd“, entließ Barlennan seine Mannschaft. Gehorsam strömtensie zur Bree zurück, und ihr Kapitän wandte sich zu Lackland um und gab ihm einen Bericht dessen, was er mit seinen Leuten verabredet hatte, ohne durchblicken zu lassen, in welcher Gefahr sich der Flieger befunden hatte.
4. Kapitel
Die Bucht, an deren südlicher Küste die Bree auf den Strand gezogen lag, war eine schmale Gezeitenmündung von zwanzig Meilen Länge, die von einer zweihundertfünfzig
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