TS 15: Der Unheimliche
spätestens morgen früh fahren wir beide in die Stadt. Wir werden eine ausländische Botschaft heimsuchen.“
„Und wen dort?“
„Jemand, der gerade in New York an Land gegangen und in einem Hotel abgestiegen ist. Er ist vollgestopft mit Informationen und Anweisungen, die er von drüben mitbringt. Sobald er von New York nach Washington abfährt, fahren wir zur Botschaft hinunter und treiben uns dort so lange herum, bis er kommt. Carnell nimmt an, daß der Besucher über eine Frage von äußerstem Interesse informiert ist.“
*
Das Tageslicht war im Schwinden, und der niedergehende Nieselregen nahm beinahe die letzte Sicht. Paul schlug den Kragen seiner Überjacke hoch. Mit wenigen Schritten war er an dem Packard, der am Bordstein parkte. Er sah in den Wagen hinein und erkannte auf dem Rücksitz einen der Männer seiner Leibwache. Paul stieg ein und setzte sich neben ihn. Hinter ihm kletterte Peter Conklin hinein, so daß Paul in der Mitte saß. Sein zweiter Wächter setzte sich neben den Fahrer. Der Packard rollte an und wollte sich in den Verkehr einschleusen.
„Peter …“
„Ja?“
Statt einer Antwort langte Paul nach vorn und tippte dem Fahrer auf die Schulter. „Stopp!“
Ruckartig kam der Packard zum Stehen und schleuderte Conklin, der sich nicht festgehalten hatte, aus dem Sitz. „Paul, was ist?“
„Irgendwas stimmt nicht.“
Conklin brummte etwas Unverständliches und griff unter seine Jacke. Die beiden Wächter hatten die Pistolen bereits in der Hand.
„Was stimmt nicht? Weißt du nicht, was es ist?“
„Nein, aber irgendwas ist verdammt faul.“
Der Mann auf dem Vordersitz drehte sich um. „Ich gehe mal auf die Straße ‘raus.“ Er schlüpfte aus dem Wagen hinaus und schlenderte den Gehsteig entlang. Hinter ihnen im Haus war der Vorgang bemerkt worden. Die Tür flog auf, und zwei Männer rannten mit schußbereiten Pistolen auf den Wagen zu.
„Es ist nicht hier auf der Straße“, protestierte Paul.
„Laß ihn trotzdem nachschauen“, sagte Conklin. Die Männer vom Haus hatten den Wagen erreicht und starrten zu den Fenstern herein. Conklin schüttelte verneinend den Kopf, aber sie blieben dennoch neben dem Wagen stehen und suchten mit den Augen die Umgebung ab.
Die Straße war frei. Der Wächter, der dem Wagen vorausgegangen war, winkte, daß sie folgen sollten.
„Was jetzt?“ fragte der Fahrer.
„Los!“ sagte Paul. Langsam rollte der Packard die Straße entlang. Der Wächter sprang im Fahren auf.
In schneller Fahrt rollte der Packard den Columbia Pike entlang. Conklin stand der Schweiß auf der Stirn. In Gegenwart der anderen getraute er sich nicht, Paul zu fragen, wo das Unheil auf sie warten könnte. Doch dann verfluchte er im stillen seine eigene Dummheit. Er brauchte ja gar nicht laut zu fragen. Er brauchte nur zu denken. Leise berührte er Pauls Arm und fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
„Paul, stimmt etwas mit dem Wagen nicht? Oder mit den Reifen?“ Conklin bemühte sich, jedes einzelne Wort klar in seinen Gedanken zu formen.
Paul schloß die Augen und konzentrierte sich auf den Wagen. Schließlich schüttelte er den Kopf.
„Oder mit einem der Männer hier?“
Wiederum verneinte Paul.
„Oder auf der Straße?“ war Conklins nächster Gedanke.
Paul runzelte die Stirn und zuckte mit den Achseln.
„Du meinst aber, das könnte möglich sein?“
Diesmal nickte Paul.
„Irgendwo vor uns also. So muß es doch wohl sein?“ Conklin tippte dem Fahrer auf die Schulter. „Wissen Sie, wohin Sie uns bringen sollen?“
„Jawohl, Sir.“
„Dann fahren Sie eine andere Route. Machen Sie einen Umweg, so daß wir aus der entgegengesetzten Richtung dorthin kommen.“
Der Packard verlangsamte die Fahrt. An der nächsten Abzweigung bog er vom Pike ab und machte einen weiten Bogen um den Arlington-Friedhof. „An sich ist es Dummheit“, wandte sich Conklin in Gedanken an Paul. „Wir sind noch niemals zur Botschaft gefahren; es gibt gar keine feste Route.“
Paul nickte und starrte durch die Windschutzscheibe. Die dumpfe, unheilvolle Vorahnung bedrückte ihn.
*
Eine Blocklänge vor der Botschaft wurde die dunkle Limousine am Straßenrand geparkt. Die fünf Männer blieben sitzen und beobachteten das Botschaftsgebäude und das schwere Eisengitter, das die Zufahrt absperrte.
„Jetzt hört gut zu“, sagte Conklin eilig. „Das ist unser Plan. Wir können nicht direkt vorfahren, weil wir sofort von dem Personal der Botschaft bemerkt werden
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