TS 16: Einer von Dreihundert
„Sie brauchen mir keine weitere Demonstration zu geben“, sagte ich voller Abscheu. „Ich glaube Ihnen auch so, daß diese Edith alles tut, was Sie sagen. Ich habe auch Ihre Drohungen gehört.“
Ritchie hob protestierend die Hand. „Edith ist weiter nichts als mein Dienstmädchen. In Frauensachen bin ich sehr moralisch, Bill. Ich bedaure, daß die Ehe aufgehoben worden ist. Ich bin nicht für diese lockeren Liebesbeziehungen. Demnächst werde ich die Ehe wieder einführen, und dann heirate ich vielleicht. Aber darüber wollte ich mit Ihnen nicht sprechen.“
„Es ist mir gleich, worüber Sie sprechen wollten. Ich gehe jetzt. Ich nehme an, Sie bestehen darauf, Aileen weiterhin unglücklich zu machen, nur um zu beweisen, daß Sie es können?“
„Ich werde immer dafür sorgen, daß Aileen keinen wirklichen Grund hat, unglücklich zu sein“, erwiderte er kühl. „Wenn sie sich trotzdem einbildet, es zu sein, kann ich nichts dafür. Einen Moment noch, Bill. Ich nehme an, Sie sind jetzt mehr denn je entschlossen, mich zu bekämpfen. Denken Sie daran, daß Sie Frau und Tochter haben.“
„Soll das eine Drohung gegen Pat und Leslie sein?“
„Und gegen Sie selbst“, ergänzte er trocken. „Wenn Sie sich unbeliebt machen, werden Sie weggeräumt. Aber ich bin nicht dumm genug, Ihnen Angst um sich selber zu machen. Denken Sie an Ihre Frau und Ihre Tochter, wenn Sie irgend etwas vorhaben.“
Glühend vor Wut wandte ich mich ab. Ein Mädchen, wahrscheinlich Edith, kam herein, als ich ging. Ich beachtete sie nicht, sah aber doch, daß sie nicht hübsch war. Vielleicht war Ritchie in dieser Beziehung wirklich so korrekt, wie er behauptet hatte.
Aber das hinderte ihn nicht daran, in einer Weise Korruption um sich zu verbreiten, wie ich es mir noch vor wenigen Tagen nicht hätte träumen lassen.
Aileen hatte recht, wenn sie ihn fürchtete.
Ritchie war immer noch ein verhältnismäßig kleiner Mann, trotz seiner Prahlereien. Aber er würde wachsen. Es würde eine Zeit kommen, wenn er beiläufig zu Morgan sagen konnte: „Erschieße ihn.“ Morgan würde es tun, und beiden würde nichts geschehen.
Erst jetzt verstand ich voll und ganz, welche Verantwortung wir Leutnants auf der Erde getragen hatten und wie sehr mindestens zwei von uns sie mißbraucht hatten.
Leutnant Porter hatte Ritchie mitgebracht, und ich hatte Morgan Smith mitgebracht. Porter hatte Glück – er erlebte nicht die Folgen seiner Wahl.
Ich erlebte sie.
20. Kapitel
Bettys Baby wurde tot geboren. Wir besuchten sie und erwarteten, sie in einem Zustand hysterischer Verzweiflung vorzufinden.
Aber Betty war merkwürdig gelassen und teilnahmslos. Ich glaube, sie hatte die ganze Zeit damit gerechnet, ihr Baby zu verlieren, und gewußt, daß es ihr das Herz brechen würde.
Leslie und ich schwiegen, als wir das Krankenhaus verließen. Wir hatten eine Frau gesehen, die alles verloren hatte, und wußten, was es für sie bedeutete. Betty war zu unglücklich und gebrochen, um zu weinen. Sie konnte nur noch ganz still sein und scheinbar unbeteiligt.
Endlich riß Leslie ihre und meine Gedanken von Betty los.
„Nun müssen wir sehen, daß Pat bald ein Brüderchen bekommt“, sagte sie fröhlich.
Ich protestierte. Im Grunde hatte ich nicht das geringste dagegen einzuwenden, aber, so fügte ich hinzu: „Ich möchte meine schöne Frau ein Weilchen so haben, wie sie ist.“
Ich hatte ihr nichts von Ritchies Drohungen erzählt.
Allmählich begann sich nun die Verpflegung zu bessern. Es hätte schon eher soweit sein können, wenn man nicht alle Überschüsse den schwangeren Frauen hätte zukommen lassen. Jetzt gab es deren bei weitem nicht mehr so viele, und der Küchenzettel wurde in ganz Winant reichhaltiger und abwechslungsreicher.
Das Wetter war jetzt bedeutend weniger unberechenbar. Erstens war das Marsklima immer noch dabei, sich nach der großen Wandlung, die es durchgemacht hatte, zu beruhigen. Zweitens gewöhnten wir uns mehr und mehr an die Vorzeichen, und vor den Stürmen, die uns einst völlig unvorbereitet überfallen hatten, konnten wir uns nun rechtzeitig schützen.
Mit der Arbeit nahmen wir es etwas leichter. Es war Hochsommer und zu heiß, um im gleichen Tempo weiterzuarbeiten wie bisher. Und es war nun auch nicht mehr so notwendig, denn in der Landwirtschaft und im Wohnungsbau waren wir über den Berg.
Die Hälfte der Arbeiter war jetzt damit beschäftigt, die ursprünglichen rohen, unfertigen Bauten zu verschönern.
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