TS 16: Einer von Dreihundert
dir helfen.“
„Betty?“ Er starrte mich einen Moment an, als kenne er keine Betty.
Dann lachte er, nicht bitter, sondern mit echter Heiterkeit. „Betty!“ rief er und lachte wieder.
Er lachte immer noch, als Betty eilig die Treppe heraufkam. Er sah sie überrascht an. Anstelle der einfachen Arbeitskleidung trug sie eine schmiegsame Bluse und einen schwingenden Faltenrock. Sie sah sehr hübsch aus.
„Ich wollte zu dir, Morgan“, sagte sie.
„Okay“, sagte er. „Komm.“
Er grinste mich an, und sie gingen zusammen fort.
Es sah tatsächlich so aus, als ob Ritchie es sich anders überlegt hätte und Morgan, da er Aileen nicht haben konnte, mit Betty vorlieb nahm.
So sah es sechs Stunden lang aus. Am späten Abend kamen Aileen und Sammy zu uns. Obwohl sie ganz ruhig waren, wußte ich sofort, daß etwas nicht stimmte.
„Ritchie hat beschlossen“, sagte sie, „daß ich Morgan heiraten soll. Heiraten, verstehst du? Wenn ich es nicht gutwillig tue, passiert was. Er hat mir sogar gesagt, was passiert.“
Zuerst sollte Sammy sterben. Dann Leslie. Dann ich.
Es war Ritchies Ernst. Seine Macht stieg ihm zu Kopfe. Was war Macht, wenn man sie nicht anwendete?
„Er hat es sich in den Kopf gesetzt, Betty zu heiraten“, fuhr Aileen fort. „Ja, Betty, eure Betty. Er will sie heiraten und glücklich machen. Er will alles für sie tun …“
„Betty!“ rief ich aus. „Also darum ist sie mit Morgan gegangen. Was denkt sie sich denn dabei, Ritchie zu heiraten?“
Aileen zuckte die Achseln. „Ihr ist es egal. Ihr ist alles egal. Ich glaube, sie geht zu ihm, nur um Morgan nahe zu sein. Weißt du, heute abend ist mir zum ersten Mal der Gedanke gekommen, daß Ritchie wahnsinnig ist. Wenn man etwas tut, was man eigentlich gar nicht will, nur um zu zeigen, daß man es kann, dann ist man doch wahnsinnig, nicht wahr?“
„Was hat er denn getan, Aileen?“ fragte Leslie.
„Er hat eine Party gegeben. Sie haben Sammy und mich geholt.“
„Es war sehr einfach“, sagte Sammy leise und bitter. „Morgan kam und zwang uns mit vorgehaltener Pistole, hinzugehen.“
„Ritchie ist sonst gar nicht für wilde Parties“, fuhr Aileen fort. „Aber er wollte ein paar GL und anderen Leuten, die er noch nicht ganz in die Tasche gesteckt hat, zeigen, was er kann. Es war die tollste Party, die es je gab. Du wärest auch beinahe dagewesen, Leslie.“
„Was?“
„Oh, du wärest bestimmt gekommen, genau wie wir. Jemand hat vorgeschlagen, daß du nackt tanzen solltest …“
„Großer Gott!“
„Und du hättest es getan, wenn du Ritchies Drohungen gehört hättest. Aber Betty erhob Einspruch. Schließlich mußte ich es an deiner Stelle tun.“
„Willst du damit sagen“, fragte Leslie ungläubig, „daß Ritchie seine eigene Tochter gezwungen hat … ?“
„Dur irrst dich“, sagte Aileen kühl. „Ritchie ist der Chef. Er teilt seine Macht mit keinem, wenn er auch. Betty hier und da nachgibt. Ich gelte nicht mehr als irgend jemand anders. Nur er allein gilt.“
„Er ist verrückt“, sagte Leslie.
„Vielleicht. Es ist jetzt ganz egal, jedenfalls muß etwas geschehen. Wenn niemand etwas tut, dann tue ich es.“
Ich sah Sammy an, aber von ihm war nichts zu erfahren. Er blickte grübelnd auf Aileen.
„Töten ist häßlich“, sagte Aileen in dem gleichen ruhigen beherrschten Ton wie bisher, „und seinen eigenen Vater zu töten, ist um so viel häßlicher, daß ich es bisher nicht in Betracht gezogen habe. Aber es muß sein. Er hat jetzt schon Wachen aufgestellt, und bald wird er noch mehr haben. Ich gehöre zu den wenigen, die noch in seine Nähe gelangen können. Du kannst es nicht, Bill. Sammy auch nicht …“
Sie holte tief Atem.
„Ich werde ihn töten, aber ich will nicht sterben. Ich glaube nicht, daß ich verdiene, dafür zu sterben. Wollt ihr mir helfen? Wollt ihr für mich lügen? Man wird euch glauben.“
Ich sagte, ohne zu zögern: „Ich werde dir helfen, Aileen. Ich werde lügen.“
Leslie, Sammy und ich standen am Boden der Ausschachtung und beobachteten Ritchie, Morgan und Aileen auf dem Sonnendach. Wenn wir Glück hatten, würden wir einen Mord zu sehen bekommen.
Der plausibelste Unfall, der Ritchie zustoßen konnte, war ein Sturz vom Sonnendach in die Grube.
Wir hatten viel darüber diskutiert, aber Aileen und ich waren nicht von unserem Vorhaben abzubringen gewesen.
Sammy war nicht ganz einverstanden. „Ich wünschte, ich wäre Gott“, murmelte er, während wir warteten. „Dann
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