TS 21: Die Überlebenden
Anwesenheit bedauern oder mich dazu beglückwünschen wollte. Immerhin, in Daves Anwesenheit konnten alle die Dinge nicht passieren, die ich mir ausgemalt hatte. Ich konnte Ginette nicht bei den Haaren in den Wagen ziehen, sie konnte sich nicht in meine Arme werfen und verzückt ,Darling!’ seufzen – nichts konnte passieren. Und es passierte auch nichts.
„Steigen Sie ein“, forderte ich sie auf. „Später sehen wir dann, welche Route wir einschlagen.“
Irgend etwas Fremdes ging von ihr aus. Ich vermochte nicht, es zu enträtseln, aber auf keinen Fall waren es die Nachwirkungen der überstandenen Seekrankheit. Sie schüttelte kurz den Kopf.
„Danke, ich komme auch allein zu meinem Ziel.“
„Lieber Himmel, seien Sie doch endlich vernünftig, Ginette!“
„Ich sagte schon, daß ich keine Hilfe benötige“, wiederholte sie mit erzwungener Geduld. In ihrer Stimme glaubte ich einen ganz leisen Hauch von Hysterie zu spüren. „Was muß ich nur tun, damit Sie mich endlich in Frieden lassen?“
Während des Gespräches war Dave schweigsam gehlieben. Jetzt jedoch kletterte er ohne ein Wort aus dem Wagen, öffnete die Tür zum Hintersitz und stieg wieder ein. Die Vordertür ließ er offen.
Diese schweigsame Demonstration überzeugte Ginette schneller, als alle meine Reden es vermocht hatten. Sie schwang sich auf den Sitz neben mich und reichte ihre Tasche nach hinten. Mir ein Beispiel an Dave nehmend, schwieg ich auch und ließ den Motor anspringen.
Im gleichen Augenblick sackte Ginette neben mir zusammen.
Erschrocken stoppte ich den Motor wieder.
„Was mag mit ihr los sein?“ wandte ich mich an Dave.
Da er es höchstwahrscheinlich auch nicht wußte, gab er einfach keine Antwort. Die Pfeife wippte in seinem Munde auf und ab.
Ich fühlte Ginettes Puls; er schlug schnell, aber nicht zu schnell. Sie regte sich nicht, als ich sie berührte.
„Wir müssen sie auf die Wiese legen“, schlug ich vor. „Dort können wir sie untersuchen.“
„War es nicht schwer genug, sie in den Wagen zu bringen?“ gab Dave zu bedenken. „Ich würde sie lassen, wo sie ist.“
Er hatte natürlich recht, aber auf der anderen Seite kannte ich Ohnmachtsanfälle von Gloria her. Man sollte Ginette flach legen und ihre Kleider öffnen.
In ihrem Gesicht zeigte sich nichts Verdächtiges. Hände und Arme waren frei von Kratzern oder Blutspuren, die darauf hinwiesen, daß sie einen Kampf mit Mensch oder Pagget bestanden hätte.
Ich öffnete wenigstens schon mal den Mantel. Das Kleid schien unbeschädigt, aber ein elastischer Ballen fiel mir auf. Zum Glück besaß das Kleid Knöpfe, die ich ohne Mühe zu öffnen vermochte. Ich brauchte sie dabei nicht zu bewegen.
Der Ball entpuppte sich als zusammengeknülltes Taschentuch, das fast zur Hälfte unter den oberen Rand ihres Büstenhalters geschoben worden war.
Ohne mich um Daves neugierigen Blick zu kümmern, schob ich meine rechte Hand unter ihren Rücken und löste den Büstenhalter, nahm ihn ab. Vorsichtig entfernte ich daraufhin das Taschentuch.
Eine tiefe Kratzwunde zeigte sich, die aber niemals der Grund für ihre Ohnmacht sein konnte. Sie blutete nicht mehr. Und erst jetzt bemerkte ich, daß sie keinen Unterrock mehr anhatte.
Dave drückte mir etwas in die Hand. Eine kleine Flasche Jod.
Im Verschraubdeckel war ein Pinsel angebracht, mit dem ich die Wunde bestrich.
„Sie muß noch etwas anderes haben“, sagte ich laut.
„Sie meinen, die Wunde wäre noch nicht genug?“ wunderte sich Dave. „Die stammt zweifelsohne von Paggets.“
Ich nickte.
„Ein Pa-Hund, ja. Nein, diese Wunde genügt nicht, Ginette in Ohnmacht fallen zu lassen. Dazu kenne ich sie zu gut.“
Als ich ihr Kleid von den Schultern streifte, fand ich, was ich suchte. Ihr Oberarm verschwand unter einem Verband, in dem ich den vermißten Unterrock wiedererkannte. Schon streckte ich die Hand aus, als ich zögerte.
„Sie wollen ihn lassen?“
„Sieht ganz manierlich aus“, nickte ich. „Sie hat sich den Verband sicherlich selbst angelegt. Wenn ich ihn abmache, was kann es schon nützen?“
Dave stimmte zu.
Ginette kam wieder zu sich. Für Sekunden sah sie verständnislos um sich, bis sie bemerkte, daß sie praktisch bis zum Gürtel nackt war. Sie errötete, aber wie mir schien, weniger aus Scham, als vor Zorn darüber, daß sie jemand entkleidet hatte, ohne sie um Erlaubnis zu fragen.
Sie versuchte, sich aufrecht zu setzen, aber ich drückte sie in die Polster zurück.
„Ganz still
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