TS 23: Planet YB23
Leiche zu stehlen. Ebenso ausgeschlossen war es, daß der Tote wieder zum Leben erwacht und sich dann heimlich davongemacht hatte. Der Tod war zweifellos eingetreten.
Kranz entsann sich der merkwürdigen Reden Helds und glaubte, dieser müsse eine vernünftige Erklärung für das Vorgefallene haben. Einen letzten Blick auf die leeren Tische werfend, auf denen nicht einmal mehr Blutstropfen vorhanden waren, obwohl sich Kranz sehr gut an das rotverschmierte Laken entsinnen konnte, das nun blendend weiß leuchtete, eilte er zur Tür und stand Sekunden später aufatmend auf dem Gang.
Stöhnend wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
So etwa mußte einem Menschen zumute sein, den der Arzt für irrsinnig erklärte und der doch genau wußte, es nicht zu sein. Kranz empfand bei diesem Vergleich zumindest den einen Unterschied, daß er nicht mit absoluter Gewißheit von sich behaupten konnte, noch normal zu sein. Es flimmerte leicht vor seinen Augen, und die Knie zitterten unmerklich. Es würde schwerfallen, diese Unsicherheit vor Held zu verbergen.
Er stieg die Leiter empor und betrat wenig später die Zentrale, wo Held im Sessel hockte und ihm erstaunt entgegensah.
„Nanu? Schon Zeit?“ wunderte sich der Physiker. Dabei sah er auf die Borduhr und schüttelte den Kopf. „Sie haben wohl keine Lust, länger zu schlafen?“
Der Arzt lehnte sich gegen die Wand, und erst jetzt bemerkte Held, wie bleich der andere war. Er wurde stutzig und beugte sich in seinem Sitz vor.
„Ist irgend etwas nicht in Ordnung?“ erkundigte er sich teilnahmsvoll. „Sie sehen recht mitgenommen aus. Warum schlafen Sie sich nicht aus, bevor Sie auf Wache ziehen?“
Kranz machte einige Schritte und ließ sich im Sitz des Co-Piloten nieder, streckte die Beine weit von sich und atmete auf.
„Der Tote im Labor ist spurlos verschwunden“, eröffnete er dem erwartungsvoll Lauschenden. „Einfach nicht mehr da! Was sagen Sie nun?“
Zu seiner grenzenlosen Überraschung nickte Held nur und es schien, als sei er sogar erleichtert. Das erschien Kranz so unfaßbar, daß er hörbar nach Luft schnappte.
„Verschwunden, sagte ich! Haben Sie verstanden? Der Tote ist verschwunden, und niemand war im Schiff, der ihn hätte herausholen können.“
Held blickte auf. Sein Gesicht war wieder sachlich geworden.
„Wenn ich nicht irre, verschwand auch der Silberstab, die mutmaßliche Waffe des Fremden. Stimmt es?“
Kranz konnte nur stumm nicken.
„Ich habe es mir gedacht“, erklärte Held. Dann, als er das verwunderte und direkt fassungslose Gesicht seines Gefährten erblickte, schien ihn das Mitleid zu übermannen. Er konnte Kranz nicht länger im Ungewissen lassen. „Sehen Sie, die Sache ist doch ganz einfach: der Fremde stammte aus einer anderen Zeitdimension, ebenso seine beiden Kameraden. Sie ließen sich damals – wer weiß, wann es geschah, die Zukunft in ihre Gegenwart projizieren. Wahrscheinlich konnten die Zeiteinheiten beliebig verändert werden, denn die Rasse ist mindestens seit Jahrtausenden ausgestorben, nicht erst seit 600 Jahren oder so. Er kam also in seine Zukunft und geriet in unsere Gegenwart. Die STAR stand direkt vor dem Eingang zur Stadt, in der er wahrscheinlich wohnte. Als er die Oberfläche erreichte, befand er sich also in der Zukunft – ein einziger Schritt beförderte ihn wahrscheinlich dahin.
Ich kenne die Mentalität der ausgestorbenen Rasse genauso wenig wie Sie oder jemand anders von uns. Aber ich vermute, daß sie überheblich und arrogant sein mußten, trotz ihrer fortgeschrittenen Zivilisation – oder vielleicht sogar deswegen. Jedenfalls betrachteten sie die STAR als willkommenes Objekt, ihre Langeweile zu vertreiben.
Langeweile! Ja, ich bin inzwischen zu der Überzeugung gelangt, daß diese Rasse den Zeitprojektor nur deshalb baute, um damit dasGespenst der Langeweile zu bannen, das sie befallen hatte. Alles verlief automatisch und reibungslos in dieser Zivilisation, es gab einfach keine Abwechslungen. Da erfanden sie den Zeitprojektor und hatten endlich etwas, womit sie ihr Dasein ausfüllen konnten. Entweder saßen sie in den großen Projektionshallen – wir fanden ja eine – vor den Bildschirmen in den Kabinen und zauberten darauf jede beliebige Zeitepoche, die sie dann studierten, oder aber sie zogen den direkten Ausflug in Vergangenheit oder Zukunft vor.
Ihr Toter, Doc, geriet rein zufällig in unsere Epoche.
Er mag aus reinem Übermut die Waffe gegen das Schiff erhoben haben, aber immerhin
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